Essen-Frohnhausen. Die griechische Tanzgruppe Greek Orfeas wollte am Mittwoch den griechischen Nationalfeiertag feiern. Doch daraus wird jetzt nichts.

Bei tanzenden Griechen denken viele gleich an den legendären Sirtaki. Doch der eindrucksvolle Kreistanz ist eine Erfindung aus einen berühmten Film. Antony Quinn tanzte ihn 1964 in der Rolle des Alexis Sorbas nach der Musik von Mikis Theodorakis. „Vorher gab es den Sirtaki nicht. Aber die deutschen Zuschauer lieben ihn“, erzählt Alexandra Penidou und lacht: „Auf Stadtfesten in Essen und Nachbarstädten gehört der Sirtaki daher zu unserem Pflichtprogramm.“

Treffpunkt ist das Mehrgenerationenhaus in Essen-Frohhausen

Die 28-Jährige ist seit vier Jahren Vorsitzende des 1978 gegründeten Griechischen Kultur- und Tanzvereins Greek Orfeas Essen, der im Mehrgenerationenhaus an der Kerkhoffstraße probt. Ob auf dem Festland oder auf einer der 227 bewohnten Inseln - Tanzen hat in Griechenland eine lange Tradition, die bis in die Antike zurückreicht. „Und bis heute ist der Tanz bei vielen ein beliebtes Hobby, aber auch ein kulturelles Erbe, das sie pflegen möchten.“ Volkstänze seien auch im modernen Griechenland nach wie vor aktuell, weiß Penidou.

In landestypischen Trachten, die je nach Region unterschiedliche Farben und Schnitte haben, treten die Mitglieder von Greek Orfeas auf. Die rund 100 Tänzer zwischen vier und 75 Jahren sind auf vielen Veranstaltungen im Stadtgebiet zu sehen - vom Kinderfest in Altendorf über das Stoppenberger Marktfest und bei Folklore-Darbietungen auf Zeche Carl oder Zollverein. „In den meisten griechischen Orten tanzten die Männer dem Alter nach geordnet vorne im Kreis. Die Frauen folgen ihnen. Das machen wir heute auch oft so“, sagt die Essener Lehramtsstudentin. Die Schritte sind abwechselnd energisch, fröhlich-springend oder auch schleppend, je nach Gefühlslage, die ein Lied beschreibt.

Je nach Ort spielen bei den griechischen Volkstänzen traditionelle Instrumente eine große Rolle. Zu den bekanntesten gehört die Bouzouki-Langhalslaute, die einer Mandoline ähnelt und drei bis vier Doppelsaiten aus Metall besitzt. Als Soloinstrument, aber auch zur Begleitung von Volksliedern und griechischen Tänzen ist sie weit verbreitet. Auch die „Laouto“ mit ihren warmen Klängen, Leda-Geige oder Lira kommen zum Einsatz. Die Daouli-Trommel gibt den Takt an. Für Überraschungen bei Folkore-Darbietungen sorge oft die „Gkainta“, die an einen Dudelsack erinnert.

Der griechische Nationalfeiertag ist in diesem Jahr eher ein stiller Feiertag

Alexandra Penidou leitet seit vier Jahren den Kultur- und Tanzverein. Sie ist vor 28 Jahren in Deutschland geboren und kam über ihre Eltern mit der griechischen Tradition in Kontakt.
Alexandra Penidou leitet seit vier Jahren den Kultur- und Tanzverein. Sie ist vor 28 Jahren in Deutschland geboren und kam über ihre Eltern mit der griechischen Tradition in Kontakt. © Orfeas

Am Mittwoch, 25. März, dem griechischen Nationalfeiertag, wollten sich die Vereinsmitglieder eigentlich treffen. Zu griechischem Wein, Spezialitäten und Tänzen die Befreiung von den Osmanen feiern. Doch Corona brachte alles durcheinander. Auch die Proben sind erstmal abgesagt. „Aus Rücksicht auf die Senioren“, erklärt Penidou. Für die über Älteren im Verein sowie für alle jene, die mit Jüngeren an der Kerkhoffstraße 22b unter einem Dach leben. „Wenn es hilft, das Virus einzudämmen, pausieren wir gern.“

Geboren und aufgewachsen ist Alexandra Penidou in Essen. An der Uni Essen/Duisburg studiert sie Englisch und Geschichte für die Sekundarstufe II, will 2021 ihren Abschluss machen. Beide Eltern stammen aus Griechenland. Die Mutter zog Ende der 1970 Jahre aus Evros, dem Grenzgebiet zur Türkei, nach Deutschland. Seine Heimatinsel Limnos verließ ihr Vater als 20-Jähriger, um im Ruhrgebiet Arbeit zu finden. Seine Frau entdeckte den Kulturverein und nahm die Tochter mit. So kam Alexandra Penidou als Fünfjährige zum Volkstanz.

Die Trachten stammen aus verschiedenen Regionen

Der Verein wurde ihr zu zweiten Heimat. „Man sprach Griechisch untereinander, und wir Kinder erfuhren viel über ein Land, in dem die meisten nie gelebt hatten.“ Heute darf Penidou stolz sein auf einen beachtlichen Nachwuchs. „Die sechs- bis zwölfjährigen Mädchen und Jungen bilden bei uns die größte Gruppe.“ Damals wie heute bereiten die griechischen Tänze und der Zusammenhalt der „Greek Orfeas“ schon den Kindern Freude. Vor allem die Mädchen schlüpfen begeistert in die traditionellen Trachtengewänder aus den Regionen Thrakien, Epirus und Makedonien und lieben es, darin vor Publikum aufzutreten.

Montags üben die Erwachsenen die Tänze ein, samstags kommen Jung und Alt im Mehrgenerationenhaus zusammen. Von 12 bis 14 Uhr proben sie unter anderem den „Politiko chasapiko“. Und der kommt dem Sorbas-Sirtaki schon ziemlich nahe. „Seinen Ursprung hat der Tanz in Kleinasien. Im Zuge des Bevölkerungsaustausches 1922 zwischen der Türkei und Griechenland gingen viele Menschen aus Kleinasien und dem heutigen Istanbul nach Griechenland. Ihre Traditionen und Tänze haben sie mitgebracht“, erläutert die Vereinsvorsitzende.

„Wir sind ein fröhlicher Verein“

Tanzlehrer ist seit fast 20 Jahren Athanasios Ntefoudis. Der 59-Jährige Versicherungsmakler wird seit neuestem von Georgios Tsakalis und Christos Kambouris unterstützt. „Herr Tsakalis lebt erst ein paar Jahre in Deutschland, wie viele junge Griechen, die ihre Heimat wegen der schweren wirtschaftlichen Lage verlassen.“

Bei größeren Auftritten werden die Essener Tänzer von einem griechischen Orchester begleitet. Man singt und tanzt zu den temperamentvoll-melodiösen Liedern. Das stärke die Gemeinschaft. Trotz Melancholie, die in vielen Volksweisen mitschwingt, siege am Ende die gute Laune: „Wir sind ein sehr fröhlicher Verein.“

  Die Trachten der Tanzgruppe stammen aus verschiedenen griechischen Regionen.
  Die Trachten der Tanzgruppe stammen aus verschiedenen griechischen Regionen. © Orfeas

Wenn die Corona-Krise überstanden ist, gehen die Aktivitäten der Griechen weiter. Dann vollführen sie wieder in Gruppen die Tänze oder üben paarweise die Schrittfolgen der Kreistänze. Schließlich findet im September das Fest im Mehrgenerationenhaus statt und dafür wollen alle noch fleißig üben.