Essen-Altendorf. . Seine 81 Jahre machen Dieter Wlodasch nichts. Trotzdem schließt er nach 48 Jahren die „Goldquelle“. Der Vermieter hat den Vertrag gekündigt.

Dieter Wlodasch (81) erinnert sich. Am 20. März 1985 hat Wlodasch nach dem 33. CDU-Bundesparteitag im Saalbau Bundeskanzler Helmut Kohl einen Karnevalsorden überreicht. Als Rheinländer mit Frohnatur gehörte der Geschäftsmann zum Vorstand des Festausschusses Essener Karneval (FEK). Helmut Kohl habe sich sehr über die Auszeichnung gefreut, erinnert er sich. Damals verkaufte Dieter Wlodasch, der 1979 Karnevalsprinz in Essen war, noch Uhren und Schmuck im Einkaufszentrum Altenessen.1989 zog er mit seiner „Goldquelle“ nach Altendorf um. Nach insgesamt 48 Jahren ist nun Ende März Schluss.

Ein paar günstige Damen- und Herrenuhren, Silberkettchen, Ringe und Ohrstecker gehören zu den letzten Artikeln, die in ausgeblichenen Holzvitrinen auf Kundschaft warten. „Räumungsverkauf“ signalisiert der große Aufkleber an der Scheibe. Alles muss raus in den nächsten Tagen, auch die restlichen Druckerpatronen und Batterien, die Wlodasch zuletzt ins Sortiment genommen hat. Wenn er Ende des Monats nach 30 Jahren an diesem Standort für immer die Tür schließt, verliert der Stadtteil wieder ein alteingesessenes Geschäft. „Viele Kunden sind uns treu geblieben, doch im Viertel hat sich viel verändert!“, sagt er.

Goldenes Geschmeide. 
Goldenes Geschmeide.  © Jory Aranda

Das erste Ladenlokal lag am Wasserturm in Huttrop. Quer durch NRW sei er gefahren, um ein Geschäft zu finden. Nach der Lehre als Industrie-Kaufmann bei Mannesmann wollte er unbedingt verkaufen. „Was, war mir egal! Ein Kaufmann bringt alles unters Volk!“ Durch Bekannte kam er auf den Schmuck. Sie vermittelten Kontakte zu Lieferanten. Ein Goldschmied und ein Juwelier übernahmen Auftragsarbeiten für die „Goldquelle“. Und Wlodasch tat, was er gelernt hatte und am liebsten machte: handeln. Er bot Neues an und nahm Altes in Zahlung. Vieles kam, manches ging: Heimische Uhrenhersteller mussten japanischer Konkurrenz weichen, klobige Armbänder und Ketten machten Platz für schlichten Silberschmuck. Auch den ersten von 21 Überfällen musste der Geschäftsmann verbuchen.

Täglich von 9 bis 18 Uhr durchgehend stand Wlodasch all die Jahre hinter der Theke, samstags bis 13 Uhr. Doch auch nach langer Zeit an der Ruhr schlägt sein Herz für die Landeshauptstadt. In Düsseldorf ist er geboren und seit 68 Jahren Mitglied in der Sportgemeinschaft Unterrath. „Aber in Essen habe ich mich immer wohlgefühlt!“ Ein Nobelladen auf der „Kö“ war nie sein Ding. Edle Luxus-Marken führte er nicht, blieb bodenständig und bescheiden.

Letzter Überfall war 2016

Dennoch witterten Kriminelle immer viel Geld in der „Goldquelle“: Die meisten Überfälle passierten in Altendorf, zuletzt 2016. Mehrfach wurde Wlodasch mit Waffen bedroht. „Wir haben abends und am Wochenende immer allen Schmuck aus dem Fenster geräumt, um keine Diebe anzulocken.“

Vor etwa 20 Jahren erbeuteten Räuber bei ihm Ware im Wert von 240.000 D-Mark. Wlodasch: „Und einmal habe ich einen Täter zu Fuß bis zum Supermarktparkplatz verfolgt, wo er sich unter einem Auto versteckt hatte.“ 2016 erlebte Tochter Britta (51) einen Überfall im Laden. Zwei Maskierte mit Pistolen standen plötzlich vor ihr. Wie Wlodaschs Sohn Kay (53) hilft sie beim Verkauf.

Dass der Laden bald Geschichte ist, liegt nicht am Alter des Besitzers oder an den vielen Überfällen, die allen zusetzen. Der Vermieter hat gekündigt. „Zuerst wollte er die vierfache Miete, obwohl es große Leerstände gibt!“ Draußen kämpfen derzeit schwere Maschinen gegen Schlaglöcher auf der Fahrbahn. Lärm und Staub von morgens bis abends haben den Inhaber bestärkt: Nun reicht´s! Die Kinder möchten das Geschäft nicht übernehmen.

Zwei Anekdoten noch: Berthold Beitz gab dem Händler einen Korb. Er wollte für den Essener Großindustriellen einen Ehrenring anfertigen lassen. „Mit den drei Kruppschen Ringen.“ Immerhin schrieb Beitz ihm einen Brief auf Büttenpapier. Darin bedankte er sich für den Vorschlag. Seit Mitte der 1980er-Jahre ist Wlodasch Mitglied der SPD. Eine Wette mit Oberbürgermeister Peter Reuschenbach führte ihn zu den Sozis. „Ich hatte ihm versprochen einzutreten, wenn er beim Rosenmontagszug auf dem Prinzenwagen mitfährt.“ Reuschenbach warf Kamelle unters Volk, Wlodasch musste liefern.