Essen. Mit einer Kundgebung vor der Essener Filiale des Mode-Unternehmens Primark hat die Gewerkschafterin Joly Talukder aus Bangladesh auf die fatale Situation von Näherinnen in ihrer Heimat aufmerksam gemacht. Boykott von in Bangladesh produzierten Kleidung sei allerdings nicht die Lösung, mahnte sie.

Irfin Krasniqi steht vor der Essener Primark-Filiale und studiert ein Flugblatt. Die prall gefüllten Papiertüten, die neben ihm auf dem Boden stehen, zeigen: Der junge Mann hat hier gerade kräftig Klamotten gekauft. Doch das Flugblatt soll ihn zum Nachdenken bringen: Denn mit diesem machen der Frauenverband Courage zusammen mit der Aktivistin Joly Talukder aus Bangladesh auf die katastrophalen Arbeitsbedingungen aufmerksam, unter denen Näherinnen in Talukders Heimat die Kleidungsstücke für den irischen Konzern herstellen – auch nachdem vor anderthalb Jahren bei einem Unglück in einer dortigen Fabrik über 1000 Menschen ihr Leben verloren haben. Mit einem Tisch und Protesttafeln haben sich die Frauenrechtlerinnen vor dem Geschäft in der Innenstadt positioniert.

Joly Talukder errang kürzlich internationale Aufmerksamkeit, als sie bei einem Hungerstreik, mit dem sie ausstehende Löhne erkämpfen wollte, verhaftet wurde. Erst durch massiven öffentlichen Druck aus der ganzen Welt kam die Vorsitzende der Gewerkschaft für Textilarbeiterinnen in Bangladesh (GWTUC) frei. Nun reist sie herum, um die Situation der Näherinnen wieder in den Fokus zu rücken. Denn obschon die Betroffenheit vor anderthalb Jahren groß war, als ein Fabrik-Hochhaus nahe der Hauptstadt Dhaka einstürzte und etliche Arbeiterinnen und Arbeiter vergrub, scheint die Situation jetzt wieder in Vergessenheit geraten zu sein.

Katastrophale Produktionsbedingungen in der Textilindustrie

„Viele Konzerne haben noch keine der versprochenen Entschädigungsleistungen gezahlt“, klagt Martina Stalleicken, die zum Bundesvorstand Courage gehört. Die Essener Courage-Aktivistinnen haben Talukder für eine Woche zu Gast – neben der Protestaktion vor Primark am Samstag wird auch ein Sponsorenessen am Sonntag zu den Aktionen gehören, mit dem ihre Reisekosten finanziert werden sollen. Zur Montagsdemo um 18 Uhr an der Porschekanzel will sie ebenfalls dabei sein.

Courage demonstriert vor Primark

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    Primark sei eines der wenigen Unternehmen, die bereits Gelder haben fließen lassen. Dass sie trotzdem eine Filiale ausgerechnet dieses Konzerns für ihren Protest ausgesucht haben, erklärt Stalleicken so: „Primark ist einfach ein starkes Symbol für die katastrophalen Produktionsbedingungen in der Textilindustrie. Für ein T-Shirt, das man hier für 5 Euro kaufen kann, werden 20.000 Liter Wasser verbraucht. Das wissen die wenigsten - auch wenn das bei teureren Marken, die ebenfalls billig produzieren, nicht anders aussieht.“

    Es geht den Demonstranten nicht um Boykott

    Auch Irfin Krasniqi beeindrucken diese Zahlen. Ihn beeindrucken aber auch die günstigen Preise bei Primark: „So billig kann man ja kaum irgendwo einkaufen“, betont er. „Das sind Preise wie vor 20, 30 Jahren.“ Daher werde er auch weiter dort shoppen gehen – er hätte aber auch nichts dagegen, wenn die T-Shirts einen Euro teurer werden, falls die Arbeiterinnen in Bangladesh dadurch besser bezahlt werden würden. Um Boykott gehe es auch nicht, betont Stelleicken: „Das würde die Situation der Arbeiterinnen nur verschlimmern. Es geht um Solidarität.“

    Demo gegen Ausbeutung

    Demo vor der Essener Primark-Filiale.
    Demo vor der Essener Primark-Filiale. © WAZ FotoPool
    Demo vor der Essener Primark-Filiale.
    Demo vor der Essener Primark-Filiale. © WAZ FotoPool
    Demo vor der Essener Primark-Filiale.
    Demo vor der Essener Primark-Filiale. © WAZ FotoPool
    Demo vor der Essener Primark-Filiale.
    Demo vor der Essener Primark-Filiale. © WAZ FotoPool
    Demo vor der Essener Primark-Filiale.
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    Demo vor der Essener Primark-Filiale.
    Demo vor der Essener Primark-Filiale. © WAZ FotoPool
    Demo vor der Essener Primark-Filiale.
    Demo vor der Essener Primark-Filiale. © WAZ FotoPool
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    Die fordert auch Joly Talukder in einer kämpferischen Ansprache ein. „Nur gemeinsam können wir etwas ändern“, ruft sie ins Mikrofon, um die Menschen auf der Kettwiger Straße, eine für sie fremde Umgebung, zu überzeugen. „Die Unterschiede zwischen diesem reichen Land und meiner armen Heimat sind schon immens“, bekräftigt sie im Vorfeld ihrer Rede. Umso wichtiger sei es, auf die Situation der Frauen in ihrer Heimat aufmerksam zu machen: Löhne, die nicht zum Leben reichen, sexistische Übergriffe ohne Folgen und der ständige Umgang mit giftigen Chemikalien gehörten dort zum Alltag der Frauen. „Ich bin sicher, dass wir die Menschen hier zum Umdenken bewegen können.“

    Nicht bei allen klappt das: Viele laufen einfach vorbei – zu viele Verbände, Unternehmen und Einzelpersonen buhlen in der City um Aufmerksamkeit. Andere werfen einen flüchtigen Blick auf das Flugblatt, um es dann kopfschüttelnd zu zerreißen und wegzuwerfen. Manfred Volkmer dagegen wird nachdenklich. „Zu Primark gehe ich sowieso nicht“, sagt der 67-Jährige, „aber woanders sieht das ja meistens auch nicht besser aus.“ Als Käufer erfahre man leider nur selten, was hinter den Produkten stecke. Aber letzten Endes sei es wohl schwierig, multinationale Konzerne in die Pflicht zu nehmen, bedauert er. Dies musste kürzlich auch Entwicklungsminister Gerd Müller feststellen, als er mit seiner Initiative für nachhaltige Textilien bei den meisten Herstellern abgeblitzt ist. Umdenken ist ein langsamer Prozess.