Dass die Stadt sich weigert, das Groß-Asyl auf dem Brachland des einstigen Milchbetriebshofs „Kutel“ zu betreiben, leuchtet dem schnell ein, der seinen Blick in andere Städte schweifen lässt: In der Erstaufnahme-Einrichtung des Reviernachbarns Dortmund etwa, aber noch extremer in München lässt sich beobachten, wie die Stadt sich als Träger und Betreiber eines solchen Groß-Asyls schnell den „Schwarzen Peter“ für mögliche Missstände ins Haus holen würde.
Von hoffnungslos überbelegten Notunterkünften ist dort die Rede, von fehlenden Betten, mangelnder Übersicht und teils chaotischen – der Münchner OB sagt: „menschenunwürdigen“ Bedingungen.
Denn den Erstaufnahme-Einrichtungen werden die Transporte voller Flüchtlinge buchstäblich vor die Tür gekippt. Sie müssen einen Mangel verwalten, bei dem sie selbst keine Möglichkeit haben zu steuern. Kein Wunder, dass die Stadt dankend abwinkt. Sie fordert, dass die Erstaufnahmeeinrichtung am „Kutel“ – so wie man es in Essen auch der Politik „verkaufte“ – in staatlicher Trägerschaft bleibt, was bedeutet: Das Land oder eine ihrer Bezirksregierungen ist zuständig und damit auch verantwortlich.
Was nicht heißen soll, dass sich Essen aus der Verantwortung stehlen möchte: „Wir sehen uns gemeinsam mit Ihnen in einer ,staatlich-kommunalen Verantwortungsgemeinschaft“, schreiben OB Reinhard Paß und Sozialdezernent Peter Renzel in ihrem Brief an NRW-Innenminister Ralf Jäger, „und möchten gerne unseren Beitrag für das Gelingen (...) leisten.“
Aber Schlagzeilen machen will man eben nicht in negativer, sondern in positiver Hinsicht: Essen will am „Kutel“ in Fischlaken eine Aufnahme-Einrichtung „neuen Typs“ errichten, eine Art „Piloteinrichtung“ des Landes mit hohen Unterbringungsstandards „gleichsam als Leuchtturm einer modernen Flüchtlingspolitik in NRW“. Diesen Plan habe man sich im Übrigen nicht im Alleingang auf die Fahnen geschrieben, er entstammt vielmehr einem Zehn-Punkte-Papier von Staatssekretär Bernhard Nebe aus dem Innenministerium.
Essen stellt dabei den Standort, will das Groß-Asyl für 800 Flüchtlinge durch die städtische Grundstückstochter GVE bauen lassen und langfristig ans Land vermieten. Aber auch hier beugt die Stadtspitze vorsichtshalber schon mal Missverständnissen vor. Denn auch wenn die Landeseinrichtung der Stadt manche eigene Investition erspart, weil die Flüchtlinge dort auf die Zuweisungsquote angerechnet werden – ein Zuschussgeschäft darf sie nicht werden: „Auf die kostendeckende Miete, als auch auf die Kostenerstattung für andere Leistungen (...) müssen wir als ,Stärkungspakt-Kommune’ besonderen Wert legen.“
Ob das Land mit diesen Bedingungen einverstanden ist oder am Ende die Pläne fürs Groß-Asyl am „Kutel“ platzen lässt, wird sich kommenden Mittwoch zeigen. Da gehen die Verhandlungen weiter.