Essen. . Eine neue Studie von “Unfallforschung der Versicherer“ (UDV) und Uni-Klinik Münster zeigt, dass sämtliche Unfallopfer, die wegen schwerer Kopfverletzungen behandelt werden mussten, keinen Helm getragen hatten. Befürworter und Gegner der Helmpflicht bleiben ihren Ansichten aber weiterhin treu.

Die jüngste Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat die Diskussion um eine Helmpflicht für Radfahrer wieder angefacht. Die UDV untersuchte gemeinsam mit der Uni-Klinik Münster 543 Fahrrad-Unfälle und habe dabei festgestellt, dass unter den Opfern mit schweren Kopfverletzungen keiner einen Helm getragen hatte.

In der Ruhrmetropole rücken indes Befürworter und Gegner nicht von ihrer bisherigen Linie ab. Die Essener Verkehrswacht ist für die Einführung der Helmpflicht für Radfahrer. Der ADFC Essen ist strikt dagegen.

"Ohne den Helm wäre ich tot gewesen"

Karl-Heinz Webels, Vorsitzender der Verkehrwacht Essen, setzt immer den Helm auf, bevor er sich auf den Sattel, schwingt. Und das hat ihn wohl das Leben gerettet. Als er vor einem Jahr mit seinem E-Bike auf der Sommerburgstraße zwischen die Straßenbahnschienen geriet und das Gleichgewicht verlor, prallte er mit dem Kopf so heftig auf das Pflaster, dass sein Helm zerbrach. Er erlitt zwar mehrere Rippenbrüchen und musste die Nacht auf der Intensivstation verbringen, aber der Kopf hatte trotz des schweren Sturzes nur ein paar Blessuren. „Ich bin mir sicher. Ohne den Helm wäre ich tot gewesen“, berichtet er heute.

Schon lange vor dem Unfall hat er sich für die Helmpflicht stark gemacht. Weil er davon überzeugt ist, dass er die Radler bei Stürzen vor dem Schlimmsten bewahrt. „80 Prozent der Verletzungen bei Fahrradunfällen sind Kopfverletzungen“, sagt er. Eine Helmpflicht sei auch deshalb nötig, weil der Fahrradverkehr zunehme, was er ausdrücklich begrüßt. Damit steige aber auch die Zahl der Fahrradunfälle. 2013 verunglückten in der Stadt Essen 282 Biker, das waren 4,8 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Die jetzige Diskussion erinnert Webels an frühere Streitdebatten um die Motorrad-Helmpflicht. Damals waren viele dagegen. „Und heute ist es selbstverständlich.“

Essener ADFC-Chef zeigt sich stutzig 

Vergleiche stellt Jörg Brinkmann, langjähriger Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen-Fahrradclubs (ADFC) in Essen, auch gerne an. Er fragt: Ruft da jemand laut nach einer Helmpflicht für Autofahrer, wenn sich bei einem Crash wieder mal ein Auto überschlagen hat? Brinkmann hat jedenfalls von solchen Forderungen noch nichts gehört, eine Pflicht für Biker lehnt er ab. Die würde zu einem drastischen Rückgang des Fahrradverkehrs führen. „Wie damals in Australien. Da waren es dann ein Drittel weniger.“

Und die jüngste Studie über Fahrrad-Unfälle? „Als ich gelesen habe, von wem sie in Auftrag gegeben worden war, wurde ich ein wenig stutzig“, so der Essener ADFC-Chef. Er hält sie für „interessenbezogen“ und verweist auf einen Gerichtsstreit, weil eine Versicherung einer schuldlos verunglückten Radlerin in Schleswig-Holstein weniger Schadenersatz zahlen wollte, da sie keinen Helm trug.

Eltern sollen auch einen Helm tragen

In Essen, so Brinkmann, gebe es keine Zahlen darüber, wie viele Verletzte ohne Helm waren. „Wir haben nie bestritten, dass ein Helm eine schützende Wirkung hat“, stellt der ADFC-Vorsitzende klar. „Die Frage ist nur, wie groß die schützende Wirkung wirklich ist.“

In mancher Hinsicht liegen die Verkehrswacht und der ADFC doch nicht so weit auseinander. So rät Brinkmann Kindern sowie Sportradlern dringend dazu, zu einem Schutzhelm zu greifen. Mountainbiker seien einem deutlich höheren Unfallrisiko ausgesetzt, weshalb auch für solche speziellen ADFC-Touren eine Helmpflicht gilt. „Und Kinder sind mit ihrer Motorik noch nicht so sicher beim Radeln.“ Auch Eltern empfiehlt Brinkmann den Helm. Die müssen ja ein gutes Vorbild sein.

Den Anteil der Helmträger unter den ADFC-Mitgliedern schätzt Brinkmann inzwischen auf zwei Drittel. Tendenz aufwärts. Grundsätzlich aber gilt: „Jeder muss für sich das Risiko einschätzen und das selbst entscheiden“, betont Brinkmann. Entscheidend für die Sicherheit der Radfahrer sei für ihn nicht das Tragen eines Helmes, sondern die Beseitigung von Unfallgefahren auf den Straßen und ein zusammenhängendes Radwegenetz“. „Das steht bisher nur auf dem Papier. Die Stadt hat zwar gute Aspekte, aber der Handlungsbedarf ist noch sehr groß“, erklärt er.

Zur aktuellen Situation hat der ADFC jetzt seinen „Fahrradklimatest 2014“ gestartet. Bis zum 30. November können Essens Radler bei der Umfrage ihr Urteil abgeben: Infos unter: www.fahrradklima-test.de