Essen.. Im Deutschlandhaus in der Innenstadt kann man noch Paternoster fahren statt Lift. Er wird alle zwei Wochen technisch überprüft und hat Freunde an entscheidender Stelle, sonst würde es ihn womöglich nicht mehr geben. Links geht es rauf, rechts geht es runter.
Fangen wir mit Mut zum schiefen Bild an: Der Paternoster ist das Kaminfeuer unter den Aufzügen. So irgendwie.
Er verbreitet eine Gemütlichkeit, der man sich nur schwer entziehen kann, obwohl es in den Kabinen nach Maschinenöl riecht, und zwar immer intensiver, je höher man kommt. Ein Schild beruhigt: „Letztes Stockwerk, Weiterfahrt ungefährlich.“ Er macht immerzu Tacktack. Tacktack, die Holzkabinen vibrieren leise, andere Schilder warnen: „Verboten für Kinder und Gebrechliche.“ Tacktack, tacktack, ganz oben rutscht die Kabine dann zur Seite und es fängt die Abfahrt an, es rumpelt, man sieht den Antrieb, der sieht aus wie eine überdimensionale Fahrradkette. Und runter geht’s.
Wer etwas über Essens einzigen Paternoster erzählen will, der öffentlich zugänglich ist, muss etwas übers Deutschlandhaus erzählen. Denn darin steht er ja. Das Deutschlandhaus an der Lindenallee muss man finden wollen. Es liegt abseits vom Trubel, und die Geschäfte dort sind nicht gerade was fürs Laufpublikum; es gibt edle Möbel und maßgefertigte Schuhe. 1929 wurde das Deutschlandhaus errichtet, 1988 kam es unter Denkmalschutz, es war Essens erstes Hochhaus. Und weil es „technisches Rathaus“ war, sitzen heute noch Planungsbehörden hier.
Tacktack. Die Hinweisschilder in den Bürofluren fahren an einem vorbei, wenn man in der Kabine steht. Abteilung „Kommunale Vermessung“, „Geodätische Grundlagen“, Abteilung „Planung und Bau“, „Bauaktenarchiv“.
Auch interessant
Tacktack. 1958 wurde der Paternoster neu eingerichtet, doch schon vorher, mit dem ersten Tag des Deutschlandhauses, soll es einen hier gegeben haben. Das Deutschlandhaus hat der Kölner Architekt Jacob Koerfer errichtet. Seine Familie betreibt heute am Kölner Hansaring eine Immobilienverwaltungsfirma, ihr gehört das Haus noch immer, und der Paternoster hat das große Glück, dass der Mann, der bei Koerfer in Köln für das Deutschlandhaus in Essen zuständig ist, ein echter Paternoster-Fan ist.
Bodo Schmidt sagt also: „Es ist mir völlig schleierhaft, dass Paternoster nicht mehr gebaut werden.“ Allein, was ein Paternoster an Energie spart! „Das Anfahren und Bremsen wie beim Lift benötigt die meiste Energie, der Paternoster hingegen läuft gleichmäßig.“ Dann erzählt Schmidt die Geschichte von einem hochrangigen Tüv-Beamten, der mal im Arbeitministerium von Norbert Blüm saß und deutschlandweit Paternoster verbieten wollte, weil angeblich einer der Verwandten des Beamten darin mal umgekommen sei.
Sind Paternoster gefährlicher als Aufzüge? Im Deutschlandhaus hat sich letztens mal ein Handwerker mit einer Leiter im Paternoster verheddert, seitdem haben sie neue Warnschilder aufgehängt. Im Jahr 2008 verletzten sich eine Frau und ihr Enkelkind. Bodo Schmidt: „Man kann nicht jeden Menschen hundertprozent absichern. Vernünftigen und verantwortlich Handelnden passiert eigentlich nichts.“
Und außerdem: Auch rein logistisch sei der Paternoster klar im Vorteil; er transportiere Menschenmengen beständig von den Fluren weg, während ein Lift seine Türen schließt und alle weiter warten müssen.
Und so fährt der Paternoster im Deutschlandhaus noch weiter, tacktack, er wird alle zwei Monate technisch kontrolliert, so eine Antriebskette hält übrigens 30 bis 40 Jahre, tacktack, er fährt und fährt, selbst wenn das Kaminfeuer längst verglüht ist.