Wer ihm begegnete, konnte kaum anders als beeindruckt zu sein von seiner Bescheidenheit und von einer Aura, die man mit einem altmodischen Wort benennen könnte: Güte. Umso größer war gestern in der Firmenzentrale in Borbeck die Bestürzung, als den Mitarbeitern mitgeteilt wurde, dass Seniorchef Heinz-Horst Deichmann bereits am vergangenen Donnerstag verstorben ist. Zwar hatte der 88-Jährige das operative Geschäft schon vor längerer Zeit an seinen Sohn abgegeben, doch ist der Firmen-Patriarch unvergessen und war bis zuletzt noch im Verwaltungsrat des Unternehmens aktiv.

Heinz-Horst Deichmann, fünftes Kind und erster Sohn des Borbecker Schuhmachers Heinrich Deichmann und seiner Frau Julie, war eigentlich Arzt aus Leidenschaft und übte diesen Beruf bis 1956 aus. Parallel war er bereits in den Schuhhandel hineingewachsen, den sein früh verstorbener Vater an der heutigen Johannes-Brokamp-Straße gegründet hatte und den seine Mutter fortführte. Unter der Führung des Sohnes begann dann der Aufstieg in gigantische Dimensionen.

Natürlich konnte er rechnen, natürlich verstand er Marktwirtschaft - anders wäre er nicht Europas größter Schuhhändler geworden. Und doch war Deichmann immer mehr als ein Unternehmer, obwohl das keineswegs wenig ist. Er war ein Weltverbesserer, aber keiner von der illusionären Sorte. Er wusste, dass Menschen sind wie sie sind, und dass karitative Hilfe dann am besten funktioniert, wenn sie mit Selbsthilfe kombiniert wird. Ausgestattet mit einem praktischen Sinn, verband er sein freies Unternehmertum und seinen tiefen christlichen Glauben zu guten Taten. Wenn er helfen konnte, wirkte er beseelt - noch so ein altmodisches Wort. „Heinz-Horst Deichmann predigte nicht nur die Menschenliebe, er setzte sie auch in die Tat um: Ob fern in Indien oder hier bei uns in Essen“ - so würdigte Essens Superintendentin Marion Greve gestern sein Lebenswerk. Ein großer Essener Bürger. Er wird fehlen.