Am Essener Aalto-Theater hat Regisseur Stefan Herheim vor zwölf Jahren das Fundament seiner internationalen Karriere gelegt. Jetzt kehrt der Norweger mit der Puccini-Oper „Manon Lescaut“ zurück

Als Stefan Herheim 2002 das erste Mal am Aalto-Theater inszenierte, da war er noch ein „Greenhorn“, wie er sich heute selber bezeichnet. Das Opernregie-Studium gerade frisch absolviert, hatte Aalto-Intendant Stefan Soltesz dem jungen Norweger eine Chance gegeben. „Er hat mich unglaublich nervös gemacht, aber auch unglaublich unterstützt“, erinnert sich der 44-Jährige an die gleich mit dem Regie-Preis der Götz-Friedrich-Stiftung ausgezeichnete Inszenierung von Bellinis „I Puritani“ – Startschuss seiner internationalen Karriere. Später holten die Wagner-Schwestern Herheim nach Bayreuth auf den Hügel, er inszenierte einen gefeierten „Parsifal“ und zählt seitdem zu den Top-Namen der Branche.

Wer Herheim heute als Regisseur gewinnen will, muss schon Geduld haben, der Terminkalender ist bis 2021 gefüllt. Oder man muss im Opern-Verbund auftreten. Nach Graz und Dresden kommt Herheims „Manon Lescaut“-Inszenierung als Koproduktion ab dem 4. Oktober nach Essen. Es versteht sich für den gefragten Regisseur, dass er die letzten Wochen vor der Premiere noch einmal ganz persönlich feilt. Er nennt es auch keine Übernahme. Die neuen Sänger, die millimetergenau auf den Bühnenraum abgestimmten Kulissen und der besondere „Sound“ der Essener Philharmoniker – „da entsteht eine ganz eigene Arbeit“, versichert Herheim, der gern an Häuser wie das Essener Aalto zurückkommt, an denen er gute Erfahrungen gemacht hat. „Das schafft Kontinuität, die selten ist in meinem Leben.“

Sein „Don Giovanni“ brachte die Kritiker zum Jubeln

„Manon“-Komponist Giacomo Puccini hatte nicht viel Glück mit den stabilen Arbeitsgrundlagen. Gleich sieben Librettisten haben sich abgearbeitet an dem schon 1731 von Abbé Prévost veröffentlichen Roman vom lebenslustigen Mädchen Manon, das sich zwischen den großen Gefühlen oder der finanziell abgesicherten Existenz entscheiden muss. Das zwischen zwei Männern steht und zwei Lebensentwürfen und schließlich in der amerikanischen Verbannung endet. Das Wahrzeichen aller Glücksversprechen, die Freiheitsstatue, hat Herheim dazu auf die Bühne gestellt, Strahlenkrone inklusive, wo es während der Aufführung auch mal heiß hergehen kann.

Herheim ist berühmt für seine wuchtigen, detailverliebten und dabei tief aus der Musik entwickelten Arbeiten. Sein „Don Giovanni“ 2007 am Aalto, vom Fachblatt „Opernwelt“ zur „Inszenierung des Jahres“ gekürt und von der Kritik bejubelt, war ein barocker Bildertaumel aus dem Gotteshaus, inklusive Beichtstuhl als Liebesnest. Dreimal wurde der Mann, der Cello gespielt hat und Marionettentheater, bevor er begann, auf den Bühnen der Welt die Fäden zu ziehen, zum Regisseur des Jahres gewählt.

Übersetzer und Neuschöpfer

Stefan Herheim schickt „Manon Lescaut“ in Essen auf eine Zeitreise. Aus Amerika ins Pariser Atelier des französischen Bildhauers Bartholdi, Erbauer der berühmten Freiheitsstatue, die den Amerikanern bekanntlich von den Franzosen geschenkt wurde. Die Utopie der Freiheit und wie ihre Ideale verklärt werden, das ist ein Thema der Arbeit, die Herheim „einen Versuch der Inszenierung“ nennt, „denn eigentlich müsste man ein neues Libretto schreiben“.

Gleichwohl weiß Herheim auch um seinen besonderen Ruf als Spezialist „für Problemstücke des Repertoires“. Und versteht sich dabei als Übersetzer und Neuschöpfer gleichermaßen, jemand, der nicht zwangsläufig das neue Auftragswerk braucht, um frisch zu hören: „Ein Monteverdi kann moderner und spannender ausfallen als eine Uraufführung.“