Maya Alkhechen weiß, wie grenzwertig eine Reise ist, wenn sie ins Ungewisse führt. Die Syrerin hat erfahren, wie es sich anfühlt, sich „nach einer Todesfahrt“ illegal nach Deutschland zu retten, um der Verfolgung und den Gräueltaten in der Heimat endlich entkommen zu sein. Die Landung in der Fremde ist hart, der Alltag ohne Orientierung und unpersönlich, dafür voller Fragezeichen und Unsicherheiten. Die junge Mutter zweier Kinder widerspricht deshalb nicht, als Moderator Thomas Becker eingangs der Diskussionsrunde „Essen kontrovers“ zum Thema „Asylpolitik in Essen“ am Dienstagabend in der Volkshochschule klarstellt: „Das ist kein Spaß, wenn man als Asylbewerber zu uns kommt.“
Wahrlich nicht, nickt Maya Alkhechen. Die Erinnerungen „an eine schreckliche Reise mit dem Schleuserschiff nach Italien“ zusammen mit ihrem Mann und zwei Kleinkindern an Bord sind frisch und so wenig vergessen wie die ersten Tage als Flüchtling in den Auffanglagern des Landes: „Keiner spricht mit den oft traumatisierten Menschen, erklärt ihnen, was auf sie zukommt.“ Stundenlanges Warten, Verständigungsprobleme, die niemand lösen zu wollen scheint, schier endlose Busfahrten von Behörde zu Behörde lassen dem Gefühl, endlich angekommen zu sein, keine Chance. Gegen die große Verunsicherung auch von Amts wegen hilft nur eins, sagt Maya Alkhechen den 50 Zuhörern in der VHS und ihren vier Mitdiskutanten auf dem Podium: „Flüchtlinge brauchen als allererstes Beratung“.
Die werden sie künftig zumindest in den Essener Landeseinrichtungen wie dem Opti-Park und der geplanten neuen Erstaufnahmeeinrichtung in Fischlaken bekommen, sollten sich Stadt und Land nach dem grünen Licht des Rates in seiner gestrigen Sitzung bis Ende Oktober auf den Betrieb des Groß-Asyls in Fischlaken verständigen, verspricht Sozialdezernent Peter Renzel. Man sei mit der Bezirksregierung bereits in Gesprächen, um in deren Auftrag zunächst administrative Aufgaben in den Räumen des ehemaligen LVR-Krankenhauses erledigen und so auch einüben zu können. Nein, die Flüchtlinge von Essen nach Dortmund und zurück fahren lassen zu müssen – das sei alles andere als ein optimaler Ablauf. Der, das sieht auch Renzel so, werde und müsse ein anderer sein in einer bislang beispiellosen Erstaufnahme-Einrichtung wie sie in Fischlaken geplant sei. Und dabei komme es weniger auf die Zahl der dort vorübergehend untergebrachten Menschen, sondern auf eine möglichst gute Organisation der Abläufe an, formuliert der Sozialdezernent in Richtung der Grünen und der Flüchtlingshelfer: „Wir werden eine Einrichtung bauen, die eine menschenwürdige Unterbringung ermöglicht.“ Eine, die es auch ermöglicht, dort eine angemessene Beratung für die Neuankömmlinge zu gewährleisten, wie SPD-Ratsherr Karlheinz Endruschat zusichert: „In der Gestaltung werden wir noch viel machen können.“
Daran haben Ratsfrau Christine Müller-Hechfellner (Grüne) und Kathrin Richter als Vorsitzende der Flüchtlingsorganisation „Pro Asyl“, die ein Groß-Lager für 800 Menschen als überdimensioniert erachten, wohl so ihre Zweifel. „Wir sind nicht glücklich mit dem Kutel“, sagt Kathrin Richter: „Aber wir beißen in den sauren Apfel. Wir müssen das Beste draus machen.“ Es sei zu kurz gegriffen, kritisiert Müller-Hechfellner, „möglichst viele Plätze am Overhammshof zu schaffen, um Geld zu sparen“. Der Asylkompromiss, der lange Bestand hatte zwischen den politischen Lagern in dieser Stadt, sei leider aufgekündigt worden.
Was für manchen gleichermaßen für einen gestern auf Initiative von SDP und CDU vom Rat der Stadt beschlossenen neuen alten Dauerstandort gilt. Ein Asylheim an der Lerchenstraße hält Bernd Brack, Ehrenvorsitzender von „Pro Asyl“, nach den Erfahrungen der Vergangenheit schlicht für „eine Katastrophe“. Der Kontakt der Flüchtlinge zu den Menschen in den Stadtteilen sei wichtig. „Dies ist nicht zu gewährleisten, wenn wir in siedlungsferne Gebiete gehen“, sagt Brack, der gleichzeitig kritisiert, dass die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr in Fischlaken alles andere als optimal sei. „Wir können für Flüchtlinge keine Sonderlösungen schaffen“, kontert SPD-Ratsherr Karlheinz Endruschat: „In Karnap muss ich auch eine halbe Stunde auf den Bus warten.“