.
Wer kennt sie nicht, die nervtötende Warteschleifenmusik, den Anrufbeantworter und das Besetztseichen, das durch den Telefonhörer scheppert, während man den ohnehin lästigen oder sorgenvollen Anruf tätigt, um einen zeitigen Arzttermin zu ergattern. Doch die wirklich böse Überraschung kommt erst nach Geduldsprobe und Fahrstuhlmusik: monatelange Wartezeiten.
Ein verbindlicher Termin binnen vier Wochen klingt nach einem Traum fern der Realität. Doch genau das soll schon ab dem 1. April 2015 Wirklichkeit werden. So zumindest die Pläne der schwarz-roten Bundesregierung, die eine gesetzliche Termingarantie für Kassenpatienten will. Beschlossen werden soll das neue Gesetz im Herbst. Die Vereinigungen der Kassenärzte sollen dann regionale Servicestellen einrichten, die jedem Versicherten zeitnah einen Termin vermitteln.
Doch wie ist die Terminlage in Essen? Die NRZ hängte sich einen Tag lang in die Warteschleifen und klapperte telefonisch rund 40 Fachärzte ab: Frauenärzte, Orthopäden, Augenärzte, Psychotherapeuten, Kardiologen und Hautärzte. Gerade einmal die Hälfte davon bekam sie überhaupt an die Strippe. Die restlichen blieben hinter Warteschleifen, Urlaubszeiten oder Besetztzeichen gänzlich im Verborgenen.
Besonders prekär gestaltet sich der Umfrage nach die Lage bei Psychotherapie-Praxen. Wartezeiten liegen hier bei acht bis neun Monaten, bei zweien war selbst die Warteliste bereits geschlossen. „Wir nehmen leider überhaupt keine Patienten mehr auf. Sie können aber gerne in längeren Abständen immer mal wieder nachfragen“, erklärt eine Sprechstundenhilfe. Allein bei den Privatpraxen sieht der Terminplan luftiger aus. Da klappt’s mit dem Termin schon in der nächsten Woche.
Ähnlich schwierig gestaltet sich die Suche bei den Essener Hautärzten. „Sind Sie bereits Patient bei uns? Nein, dann erst im nächsten Jahr“, lautet die Antwort beim ersten Versuch. Beim nächsten gibt es Termine immerhin „schon“ ab Mitte Dezember. Für akute Fälle gilt der Tipp: Zwischen 7 und 7.30 Uhr auf der Matte zu stehen und mehrere Stunden Wartezeit mitzubringen.
Beim Orthopäden hilft selbst die Klage über akute Probleme mit der Halswirbelsäule nur ein einziges Mal, um die Wartezeit auf zwei Wochen zu verkürzen. Andere Praxen können Termine erst in mehreren Monaten anbieten oder nehmen überhaupt keine Neupatienten mehr auf, da selbst die Stammkundschaft bereits über ein halbes Jahr auf Termine warte. Und sogar in einer Praxis für Privatversicherte lag die Wartezeit bei drei bis fünf Monaten.
Auf ein EKG müssen Essener Kassenpatienten der Umfrage nach etwa zwei Monate warten. Bei Augenärzten betragen die Wartezeiten ein bis zweieinhalb Monate und bei Frauenärzten zwei bis vier Wochen. Die von der gesetzlichen Termingarantie angedachte Höchstwartezeit von vier Wochen erfüllten demnach nur fünf der 24 erreichten Ärzte.
Trotzdem lehnt die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein zeitliche Termingarantien für Patienten ab. Zumindest ohne dass vorher ein Arzt die medizinische Dringlichkeit festgestellt hat. Denn in dieser Form werde die Termingarantie sich zwangsweise negativ für ernsthaft erkrankte Patienten auswirken. Zudem erscheine es „gänzlich unsinnig“, das begrenzte Honorar zunehmend für Bürokratie zu verwenden.
Sehr gute Erfahrungen
Oliver Hartmann von der AOK hingegen bewertet Idee der zentralen Terminvergabe als Schritt in die richtige Richtung. „Wir bieten unseren Patienten einen ähnlichen Service bereits seit sieben Jahren“, erklärt der Leiter der AOK Essen/Mülheim. „Bei 300 bis 400 medizinisch ernsten Fällen haben wir sehr gute Erfahrungen mit den Fachärzten gemacht und konnten die Wartezeit für unsere Patienten auf unter vier Wochen reduzieren“. Hartmann plädiert dafür, dass auch jetzt schon Hausärzte und Krankenkassen als Lotsen einspringen sollten.