Essen. Eine barrierefreie Straßenbahn-Haltestelle in Essen-Rüttenscheid verärgert Radler: Weil zwischen Schienen und Gehweg kaum Platz ist, besteht für sie nun erhöhte Unfallgefahr. Die Essener Verkehrs-AG (Evag) sagt, es habe zu der Gestaltung keine Alternative gegeben.
Für die einen handelt es sich um ein Vorzeigeobjekt, für die anderen ist es der blanke Horror: die neue Haltestelle der Straßenbahnlinie 106 an der Cäcilienstraße in Rüttenscheid. Die Straßenbahnschienen führen hier neuerdings so nah am – eigens erhöhten – Bürgersteig vorbei, dass das Ein- und Aussteigen vor allem für Behinderte und Eltern mit Kinderwagen enorm erleichtert ist. Auch für alle anderen Fahrgäste ist diese Art von Einstieg sicher und bequem. Doch mit der barrierefreien Umgestaltung der Haltestelle ist ein Angstraum für Radfahrer entstanden: Wenn sie hier am rechten Fahrbahnrand fahren, können sie in die Schienen geraten und stürzen.
An dieser Stelle habe sich das nicht verhindern lassen, sagt Evag-Sprecher Olaf Frei. „Die Straße ist dort einfach zu schmal, um einen Bahnsteig in der Mitte der Fahrbahn anzulegen.“ Also habe man einen sogenannten Kap-Bahnsteig am Straßenrand angelegt, an den die Niederflurbahn nun dicht herangeführt werde – mit den geschilderten Folgen. Frei hält diese für nicht so dramatisch: „Von vermehrten Stürzen an Kap-Bahnsteigen ist uns nichts bekannt.“ Im übrigen gelte zwar in der Regel das Rechtsfahrgebot, es gebe aber Situationen, in denen Radfahrer nach links ausweichen dürften, etwa wenn Scherben im Rinnstein liegen. „Auch an dieser Engstelle kann man ja zwischen den Straßenbahnschienen radeln“, findet Frei.
Tatsächlich wählen einige Fahrradfahrer diese Notlösung, doch an der vielbefahrenen Straße blockieren sie so den Autoverkehr. Andere schrecken vorm Mittel-Weg zurück, weil sie dazu erstmal die Schienen queren müssten. „Davor hab’ ich Angst“, sagt etwa Gitta Veitisch: „Schienen sind der Horror.“ Im Schneckentempo passiere sie die schmale Stelle; dabei sei sie ständig auf dem Rad unterwegs und lasse sich von der mangelhaften Fahrradtauglichkeit der Stadt nicht so schnell schrecken. An der Cäcilienstraße seien die Radler aber ohnehin zwischen Autos und Straßenbahn eingezwängt, und immer wieder erlebe sie, „dass die Bahnfahrer die Radfahrer aus dem Weg klingeln.“ Dass bei der Neugestaltung der Haltestelle nun auch noch Fahrradständer auf dem Bürgersteig vor einem Supermarkt weggefallen sind, steigert ihren Unmut. Ihre Begleiterin Dorothee Günther traut sich hier an der umgestalteten Stelle gar nicht mehr mit dem Rad auf die Straße: „Ich weiche sicherheitshalber lieber auf den Gehweg aus – und lasse mich da von den Fußgängern beschimpfen.“
Glücklich sei die Lösung nicht, sagt auch Jörg Brinkmann, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) in Essen. „Als uns Evag und Verwaltung die Planungen vorstellten, haben wir kräftige Bauchschmerzen bekommen.“ Es gebe auch andernorts in Essen Engstellen zwischen Schienen und Bürgersteig, die für Radfahrer gefährlich seien. „Aber dass man so etwas erst neu baut, ist natürlich besonders heikel.“ Trotzdem habe man am Ende „zähneknirschend“ zugestimmt, weil die neuen Haltestellen Müttern und behinderten Fahrgästen entgegenkommen, „und weil dort kein Platz für einen Mittelbahnsteig ist“.
Grundsätzlich gebe es aber die Möglichkeit, einen Radweg rechts hinter den Kap-Haltestellen herzuführen. „Bloß ist an dieser Ecke an der Cäcilienstraße ein Supermarkt, der viel frequentiert wird, da hätte es zu Konflikten zwischen den Kunden und Radfahrern kommen können.“ Bislang gibt es eine solche Straßenbahnhaltestelle nur an der Cäcilienstraße und an der Alfred-Krupp-Straße. Beim weiteren barrierefreien Ausbau des Straßenbahnnetzes werde der ADFC aber für die Alternative mit dem Radweg hinter der Haltestelle werben – obwohl die mancherorts Parkplätze kosten könnte. Und so ahnt Brinkmann schon: „Da kommt der nächste Kriegsschauplatz auf uns zu.“