Essen. . Im Cockpit der S1 sitzt Nabil Chamdin. Bis er hier angelangt ist, hat es sieben Jahre gedauert. Sieben Jahre voller Fehlschläge, Zurückweisungen und Erfahrungen auf dem oftmals ungerechten Arbeitsmarkt. Wie er es dann doch geschafft hat: Hartnäckigkeit und ein bisschen Glück.

Die S1 nach Solingen fährt gemächlich in den Hauptbahnhof Essen ein – pünktlich auf die Minute, genau nach Plan. Im Führerhaus sitzt Nabil Chamdin am Steuer. Sein Leben lief im Gegensatz zu der Bahn, die er fährt, alles andere als nach Plan. Bis er Lokführer bei der Deutschen Bahn wurde, war der 41-Jährige langzeitarbeitslos. Sieben Jahre suchte er nach einem Job, die Chancen, die dem gebürtigen Libanesen gegeben wurden, waren rar. So wie ihm ergeht es vielen Arbeitslosen mit Migrationshintergrund, weiß Heike Schupetta vom Jobcenter Essen. Oft ende die Suche nicht so erfolgreich wie bei dem Libanesen.

Konzentriert schaut Nabil Chamdin auf die Strecke. Nächster Halt: Essen-West. Er reguliert die Geschwindigkeit, so wie es der Bordcomputer vorgibt. Sicherheit ist wichtig, schließlich ist er für zahlreiche Menschen in der Bahn verantwortlich. Bei der Einfahrt in den Bahnhof fängt Nabil an, seine Geschichte zu erzählen.

Weichen für einen Neuanfang stellen

Mit vier Jahren floh Nabil mit seinen Eltern aus dem Bürgerkrieg im Libanon nach Deutschland. 1977 war das. Erster Halt: Berlin. „Ein Auffanglager“, wie er sagt. Nächster Stopp: das Saarland. „Dort bin ich aufgewachsen. Meine Ausbildung machte ich dort auch noch.“ Industriebauer und Lackierer lernte er, bekam eine Anstellung bei einem Autobauer.

Nach einigen Jahren hatte Nabil Chamdin einen Autounfall, seinen Job konnte er nicht weiter ausüben. Er musste die Weichen für einen erneuten Neuanfang stellen. „Ich wollte arbeiten. Also ließ ich mich in Dortmund umschulen zum System-Elektroniker.“

Schlechte Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

NRW habe ihn immer gereizt, viele seiner Verwandten wohnten schon im Ruhrgebiet. „Als er 2004 mit der Weiterbildung fertig war, sah es schlecht aus auf dem Arbeitsmarkt“, erzählt Dirk Möllenberg, Fallmanager beim Jobcenter Essen. Er begleitete Nabil Chamdin viele Jahre auf der Suche nach einem Job, nachdem dieser 2005 der Familie wegen nach Essen gezogen ist. Zunächst hatte er aber nur mäßigen Erfolg, seinen Schützling zu vermitteln.

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Während der Fahrt über Düsseldorf nach Solingen ist Ausbilder und Lokführer Markus Rötzel mit an Bord. Er hat seinem Kollegen nach der Ausbildung die Prüfung abgenommen, die beiden haben ein herzliches Verhältnis. „Nachdem die Prüfung vorbei war, hatte er Tränen in den Augen und hat mich minutenlang umarmt“, erinnert sich Rötzel. Nabil Chamdin lacht verlegen. „Ich war einfach dankbar für die Hilfe. Und dass ich es endlich geschafft hatte. Und ich bin noch heute dankbar für die Möglichkeit, die mir hier gegeben wurde.“

Job fehlte für endgültige Integration

[kein Linktext vorhanden] Zuvor hatte er viele Fehlschläge erlebt. Ein Möbelhaus wollte ihn zum Dumping-Lohn einstellen, andere lehnten ihn ab - mal aus fadenscheinigen Gründen, mal ganz ohne eine Angabe. „Mein libanesischer Hintergrund war oft eine Hürde, da bin ich mir sicher.“ Dabei ist er gut integriert, spricht akzentfrei, hat viele deutsche Freunde. Nur der Job habe für sein endgültiges Gefühl der Integration gefehlt.

Im Hauptbahnhof Düsseldorf ist Fahrerwechsel. Auf dem Bahnsteig begrüßen ihn Kollegen. Akzeptiert und geschätzt wird er. Nabil Chamdin scheint angekommen zu sein. Und das nicht nur mit der Bahn.