Essen. . Andrea Dercks-Wittrock sammelt seit 15 Jahren Puppenstuben, Puppenhäuser und Kaufläden. Mittlerweile umfasst die Sammlung der Borbeckerin gut 100 Exponate. Sie stammen allesamt aus der Nachkriegszeit und spiegeln die Modernität, Mentalität und Moden jener Epoche wider. Ein Besuch.

Andrea Dercks-Wittrock (50) frönt einem ungewöhnlichen Hobby. Die Diplom-Bibliothekarin, Mutter von drei Kindern und ehrenamtlich aktiv in der Dionysius-Gemeinde, lässt im Keller ihres Borbecker Reihenhauses nach Herzenslust die Puppen tanzen.

Wer die wenigen Stufen hinunterschreitet und im Souterrain ihr kleines Reich betritt, taucht ein in die faszinierende Traumwelt der fünfziger, sechziger und frühen siebziger Jahre. „Es ist eine spannende Zeitreise in die Welt der Nieren- und Dreieckstische, der Tütenlampen und Petticoats“, sagt die Borbeckerin. Und verspricht wirklich nicht zu viel. Nicht weniger als Hundert Puppenstuben und Puppenhäuser, Badezimmer und Kaufläden, Puppenschulen und Einrichtungen nennt die leidenschaftliche Sammlerin ihr Eigen. In zwei Räumen, die gut zwei Drittel des Kellers einnehmen, hat Andrea Dercks-Wittrock eine atemberaubende Miniaturwelt im klassischen Format 1:12 entstehen lassen: eigentlich sogar ein solider Grundstock zu einem veritablen „Puppenhaus-Museum“.

Puppenstuben der Nachkriegszeit

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    Das ist das Puppenhaus Modell ‘Kathrin’, eines meiner Lieblinge und auch eines der teuersten“, sagt sie. Bei so viel Besitzerstolz fährt ein wonniges Lächeln über ihr Gesicht. Das Prachtstück aus dem Jahre 1962 in den Maßen 735 Millimeter Länge, 625 mm Breite und 470 mm Höhe ist ein Juwel, das der DDR-Hersteller, der Volkseigene Betrieb (VEB) Grünhainichen, der geneigten Kundschaft damals nahezu euphorisch so anpreist: „Auch Peter hat Anteil am Puppenhaus, denn die Garage ist sein Bereich. Mädel und Jungen spielen gemeinsam mit diesem stabilen Puppenhaus. Garage mit Klapptor, Dachgarten mit Sonnendach, Balkon, Freitreppe, Doppeltüren, Gartenleuchte und Hauseingang – an alles ist gedacht, was moderne Wohnkultur und zeitgemäßes Spiel einschließt.“

    Geist der Nachkriegszeit

    Wenn Besuchern bei so viel Puppenhaus-Pracht lediglich Allerweltsattribute wie „süß“ und „niedlich“ einfallen, gehen der stolzen Besitzerin die Nackenhaare hoch. Andrea Dercks-Wittrock will ihre fabelhafte Welt nämlich keinesfalls als kitschig oder gar spleenig verstanden wissen, sondern eher als soziologisches Statement. „Meine Puppenhäuser spiegeln den Geist der Nachkriegszeit wider, ihre Wohnkultur und Architektur , ihre Moden und Lebensstile – vom Nierentisch bis zur Prilblume.“

    In der aufwändig eingerichteten Miniaturwelt fehlen die technischen Neuerungen der Wirtschaftswunderzeit wie Küchenmaschinen und Staubsauger, Musiktruhen und Fernsehmöbel ebenso wenig wie die Moden jener Jahre. Hübsche Frauen mit Wespentaille tragen oft rote, weißgepunktete Faltenröcke oder – sehr schick, sehr rar – ein Kleid mit engem Oberteil, weit aufgestelltem Rock und – der letzte Schrei – Muster aus chinesischen Schriftzeichen.

    Puppenstuben aus 50er und 60ern

    Andrea Dercks-Wittrock sammelt Puppenstuben. Aufnahmedatum 10.9.2014.Foto: Knut Vahlensieck _WAZ Fotopool
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    Es ist eine propere, heitere und optimistische Bungalow- und Hochaus-Welt, eine, die die miefige Enge des Kaiserreichs und die beklemmende Finsternis des Weltkriegs abzuschütteln sucht. Doch bei aller Modernität und Moden hat sich die klassische Rollenverteilung der Geschlechter nicht einen einzigen Deut geändert. „Sie bügelt und kocht das Essen, er repariert den Stuhl und schaltet den Fernseher ein“, lächelt die 50-Jährige.

    Platz für weitere Exponate gibt’s in dem privaten Borbecker Miniatur-Museum kaum noch. An manchen Wänden hat Andrea Dercks-Wittrock sechs Puppenstuben deckenhoch übereinander in die Ikea-Regale gestellt und liebevoll ausgeleuchtet. Die Fülle an Accessoires, ihre Zahl dürfte fünfstellig sein, erschlägt den unvoreingenommenen Betrachter beinahe. Ihr Credo: „Ich bin keine Sammlerin, die bastelt, sondern eine, die Wert auf den Originalzustand der Stücke legt.“

    Puppenstuben bauen und sammeln – das ist sehr deutsch

    Wie wurde ihre Sammel-Leidenschaft eigentlich geweckt? „Es geschah vor 15 Jahren“, erzählt Andrea Dercks-Wittrock, „da rettete ich meine eigene Puppenstube von 1968, die meine Mutter zum Sperrmüll geben wollte.“ Befeuert wird die Essenerin durch eine Kollegin, die zurselben Zeit ebenfalls vom Puppenhaus-Fieber befallen wird. „Binnen kurzer Zeit hatte ich schon dreißig Exemplare beisammen.“ Kaum sind die ersten Fehlkäufe verkraftet, da beweist sie beim Stöbern auf Antikmärkten und bei Ebay ein gutes Händchen. Heißt: Seltene Exemplare günstig erstehen und ihren Wert steigen lassen. Heute dürfte ihre Sammlung so viel wert sein wie ein Mittelklassewagen. Puppenstuben bauen und sammeln – das ist ein sehr deutsches Phänomen. Die Essenerin ist stolz darauf, zu jenen zu gehören, die die Puppenstuben der Nachkriegszeit aus der Nische der Bedeutungslosigkeit geholt haben.