Dellwig. .
Gitta Brömse hat ihr Lachen wiedergefunden. Sie steht mitten in ihrem neu eröffneten Bauerncafé und richtet die Kuchenplatten. Das Interieur ist ein fröhliches Sammelsurium aus Antiquitäten, Gelsenkirchener Barock und 1970er-Jahre- Schätzen. „Die meisten Möbel wurden mir geschenkt“ sagt sie fast entschuldigend. Und immer noch kommt was dazu, das den besonderen Charme des kleinen Cafés prägt. Besonders ältere Besucher fühlen sich zwischen dem Küchenbuffet aus den dreißiger Jahren, dem Biedermeier-Esstisch und dem geschwungenen Sofa wohl.
Dass Gitta Brömse wieder die Kraft hat, Neues anzufangen, hätte sie vor zwei Jahren nicht gedacht. Damals brannte das Wohnhaus des Dellwiger Gehöftes nieder und die 54-Jährige stand mit ihren Kindern auf der Straße. Es schien so, als würde das Schicksal es nicht gut mit den Brömses meinen. Zwei Jahre vorher hatte sie ihren Mann durch ein schlimmes Unglück verloren; und dann ging nicht nur das gesamte Hab und Gut, sondern auch alle Erinnerungen, alle Briefe und Fotos in Flammen auf. „Ich war psychisch und körperlich am Ende“, erinnert sich die Landwirtin.
Doch was nach dem Brand folgte, war eine unglaubliche Welle der Solidarität. Es schien, als wenn sich ganz Dellwig das Ziel gesetzt hätte, die in Not geratene Familie zu unterstützen. „Wildfremde Menschen brachten uns Kleidung, Bettwäsche und Geschirr, manche spendeten Geld, die benachbarte Kirchengemeinde bot uns kostenlos Unterkunft - das war einfach unglaublich“, ist Gitta Brömse noch heute gerührt. Dieser enormen Hilfsbereitschaft ist es zu verdanken, dass der einzige Vollerwerbshof im Essener Norden weiterhin existiert. Bereits seit 111 Jahren gehört er den Brömses und ist ja auch irgendwie ein Vermächtnis ihres verstorbenen Mannes.
Nach dem Brand lebte die Familie sieben Monate lang in einem Wohnwagen, den ein befreundeter Bauunternehmer ihr kostenlos zur Verfügung stellte. Er war es auch, der das abgebrannte Gehöft kaufte und renovierte. Inzwischen erstrahlt das Haupthaus in neuem Glanz und wartet auf geeignete Mieter. Denn eingezogen sind Gitta Brömse und ihre Kinder im Anbau. „Im Haus habe ich ja gemeinsam mit meinem Mann gelebt, und ich wollte irgendwie auch neu anfangen.“
Dieser Neuanfang scheint gelungen - auch landwirtschaftlich. Drei Jahre lang warfen die Himbeer- und Erdbeerfelder keinen Gewinn ab, „da haben wir das Geld für die Setzlinge und die Arbeit in den Sand gesetzt“. Schuld war die fehlende Erfahrung im Umgang mit den Sonderkulturen, „die hatte eben mein Mann und nicht ich“. Doch aus Fehlern lernt man, und jetzt hat Gitta Brömse genug Know-How gesammelt, um hoffnungsvoll auf die nächste Ernte zu setzen. Dabei helfen neben den beiden jüngsten Kindern auch die beiden Älteren aus ihrer ersten Ehe. Ob ein Brömse die Familientradition fortführt? „Mein jüngster Sohn ist sich da sicher: Er will wie der Papa Landwirt werden.“