„Wir wollen keinen EBE-Krimi“, hatte die Gewerkschaft Verdi mit Blick auf private Ermittler bei den Entsorgungsbetrieben gefordert. Dabei gibt es den längst: Durch Versuche, heimlich PC-Daten zu löschen.

Die Gelegenheit schien günstig. Der eine Chef war noch nicht zurück aus dem Urlaub, der andere auf dem Weg dorthin, da landete am 30. Juli per Fax ein Antrag auf dem Tisch jener Abteilung, die die Datenverarbeitung der Entsorgungsbetriebe unter ihren Fittichen hat. Angekreuzt war auf dem Formular die Bitte „Benutzer löschen“, und um wen es da ging, stand gleich ganz oben in den ersten Kästchen:

„EBE GF Kunze, Klaus“.

Vier Wochen später, am Mittwoch der vergangenen Woche, meldete ein anderer EBE-Mitarbeiter eine Störung an seinem Rechner. Es war nach NRZ-Informationen Thomas Altenbeck, langjähriger Betriebsrats-Chef, der nach ausgehandeltem Abschied bei den Entsorgern an seinem letzten Arbeitstag dafür sorgen wollte, dass zumindest datentechnisch nichts von ihm zurückbleibt.

Elf Monate nachdem die Essener Staatsanwaltschaft in der EBE-Affäre wegen des Vorwurfs der Untreue und der Begünstigung von freigestellten Betriebsrats-Mitgliedern die Ermittlungen aufgenommen hat, versuchen also Mitarbeiter im Unternehmen, Datenmaterial von zwei Beschuldigten verschwinden zu lassen.

Wie schrieb die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi dieser Tage empört mit Blick auf den Einsatz privater Ermittler im Unternehmen? „Wir wollen keinen EBE-Krimi!“ Nicht nötig: Das Unternehmen steckt schon mittendrin.

Dabei ist bis auf weiteres völlig unklar, was denn da so eilig verschwinden sollte und ob die Daten überhaupt geeignet wären, irgendwen im Hause EBE zu be- oder auch entlasten. Entscheidend ist nur, dass der Geschäftsführung offenbar schwante, mögliche Beweismittel könnten im eigenen Hause nicht mehr richtig sicher sein.

Dabei ist es unerheblich, ob die von oben nicht abgesegneten Löschversuche aus einer abenteuerlichen Unbedarftheit oder aus krimineller Energie eingestielt wurden. Die EBE-Chefs traten sicherheitshalber die Flucht nach vorn an: Sie stiefelten am vergangenen Donnerstag in eine Bredeneyer Rechtsanwaltskanzlei und deponierten dort bei einem Notar acht Festplatten, vier externe der Marke Western Digital und vier Laufwerke der Marke Toshiba, versiegelt von Ermittlern der Privatfirma Esecon GmbH. Auf diese Weise sollten die Datenträger dem Zugriff Dritter vorenthalten werden. Und herausgegeben werden darf das Material nur unter festgelegten Konditionen mit vorheriger 14-tägiger Warnfrist an die Stadt.

Es ist dies der Stoff, aus dem Krimis gestrickt sind. Und wo man so agiert, da läuft sofort das Kopf-Kino an: Seit Monaten ist klar, dass bei der EBE die Ermittler ein und ausgehen. Was also haben diese noch nicht gefunden, dass es sich lohnt, Material verschwinden zu lassen? Dass jemand dieses Risiko einer womöglich strafbewehrten Verdunklung eingeht?

Nach NRZ-Informationen hat die Polizei jedenfalls keine umfängliche Beschlagnahme durchgeführt. Dem Vernehmen nach ließ man sich selbst im Rahmen von Hausdurchsuchungen bei Beschuldigten mit dem Hinweis abspeisen, PCs gebe es nicht. Ex-Geschäftsführer Klaus Kunze etwa soll, so erzählt man sich, gegenüber den Ermittlern abgewinkt haben: Er habe keine Ahnung von der Bedienung eines Computers, und der im Büro sei eh nur Dekoration.

Was schlecht wäre für den 70-Jährigen, denn damit gäbe er sämtlich Daten aus seinen Händen. Dabei muss dem Ex-Boss der EBE daran gelegen sein, seine Arbeit rekonstruieren zu können, will doch die zur Hälfte städtische Entsorgungs-Firma mit Sitz an der Pferdebahnstraße ein stattliches Sümmchen Schadensersatz von Kunze: 1.016.369,95 Euro, um genau zu sein.

Dass Kunze die nicht ohne weiteres zahlen mag, liegt auf der Hand, es wird einen Prozess geben. Beweismaterial von früher wäre dann hilfreich. Oder anderen zu Diensten, wenn es verschwände.

Dennoch sickern Informationen durch. Im Aufsichtsrat der Entsorgungsbetriebe, der gestern SPD-Fraktionsgeschäftsführer Roman Brüx zu seinem Vorsitzenden wählte, stritt man sich länger über die Frage, ob jene private Ermittler nun zulässig sind, die wohl manchem den Eindruck vermittelt haben dürften, langsam würde es heiß.

Immerhin, das alte Ultimatum des Betriebsrates ist vom Tisch. Und am Rande wurde gestern klar, wer den Löschauftrag für Kunzes Daten mit seiner Unterschrift möglich gemacht haben soll: Es war der Datenschutzbeauftragte der EBE. Und der ist der Sohn des SPD-Fraktionschefs.