Essen-Katernberg/Schonnebeck. .

Kennen Sie das Tausendgüldenkraut? Oder das Raue Vergissmeinnicht? Und haben Sie schon einmal eine seltene Kreuzkröte aus nächster Nähe beobachtet? Dort, wo Sie es vielleicht nie vermuten würden, haben Sie dazu Gelegenheit: auf dem weitläufigen Areal des Welterbes Zeche Zollverein.

Zwischen der einstmals modernsten Schachtanlage Europas, die 1986 ihren Betrieb eingestellt hat, und der 1993 stillgelegten Kokerei Zollverein erstreckt sich, was Naturschützer heute urbane Wildnis nennen. Ein Widerspruch in sich? Mitnichten.

Die 31 Hektar große Fläche ist eine von landesweit 101, auf denen der Mensch die Natur sich selbst überlässt. Lediglich Spazierwege werden auf Zollverein frei gehalten. Abseits davon erstreckt sich ein Großstadtdschungel, der seinem Namen alle Ehre macht. Das Betreten ist erlaubt, ja sogar erwünscht. Festes und wasserdichtes Schuhwerk wird empfohlen.

Seit 17 Jahren ist „Zechenförster“ Oliver Balke Herr des Industriewaldes. Industriewald? So nennen Sie beim Landesbetrieb Wald und Holz, was im ganzen Ruhrgebiet in den vergangenen Jahren auf Brachen entstanden. Auf Zollverein ragen Robinien in die Höhe, Pappeln, Weiden, Birken. Nur die in dieser Region eigentlich heimische Buche trifft man, wenn überhaupt, ganz selten. Es liegt an dem stark verdichteten Boden, einer Mischung aus Tonschiefer, Sandstein und Steinkohlestaub, auf der Wurzeln nur schwer Halt finden.

Erleichtert hat der Förster deshalb zur Kenntnis genommen, das Pfingststurm „Ela“ auf Zollverein weniger stark gewütet hat als anderswo. Einige Stämme hat „Ela“ entwurzelt, auch hier. Den Grünspecht freut’s, er sucht seine Nahrung im aufgerissenen Erdreich.

„Der Grünspecht ist seit Jahren Dauergast auf Zollverein“, freut sich Balke. Was wohl nur die Wenigsten ahnen: Das Reich des „Zechenförsters“ zählt zu den artenreichsten Industriebrachen des Ruhrgebiets. 540 verschiedene Pflanzenraten wurden 2013 in einer wissenschaftlichen Untersuchung nachgewiesen, darunter stark gefährdete Arten, wie besagtes Tausendgüldenkraut und das Raue Vergissmeinnicht. Auch zahlreiche Insektenarten haben auf Zollverein ihren Lebensraum gefunden, darunter Libellen, Heuschrecken oder die Blauflüglige Ödlandschrecke.

Heimisch geworden sind auch diverse Amphibienarten wie Bergmolche, Erd- und die bedrohte Kreuzkröten. Deren Population hat sich gut erholt, weil die vielen kleinen Tümpel auf dem Gelände diesmal nicht trocken gefallen sind. So hatte der feuchte Sommer auch sein Gutes.