Essen. Heute vor 75 Jahren begann der Zweite Weltkrieg. Die NRZ befragte dazu 13- und 14-jährige Schüler des Mariengymnasiums in Werden und der Gesamtschule in Holsterhausen. Dabei gab es sehr eigenwillige Einschätzungen und erstaunlich punktgenaue Treffer.

1938 oder 39? Irgendwann im Januar, am 1. September oder 11. November, oder gar schon 1933. Auf jeden Fall noch im 19. Jahrhundert - oder? Wann der Zweite Weltkrieg begann und was der Auslöser war, da sind sich die jungen Essener 75 Jahre nach dem offiziellen Beginn nicht ganz einig. 82 Schüler aus drei unterschiedlichen 9. Klassen des Mariengymnasiums Werden und der Gesamtschule Holsterhausen hat die NRZ dazu befragt und ist auf sehr eigenwillige Einschätzungen und erstaunlich punktgenaue Treffer gestoßen.Vorbereitet war keiner der 13- bis 14-jährigen Schüler, erklären beide Geschichtslehrer. Denn dieser Teil deutscher Geschichte sei erst Stoff der 9. und 10. Klasse.

„Der zweite Weltkrieg, der begann irgendwann im 19. Jahrhundert. Deshalb habe ich die Vermutung, dass Hitler nicht ganz unschuldig daran war“, tastet sich Michelle langsam vor. „Der begann im Januar 1938, weil Hitler andere Länder einnehmen wollte“, so ein anderer Schüler. „Nee, am 1. November 1939, weil Hitler etwas gegen die Religion der Juden hatte“, meint Ann Marie. Nebst dieser kleinen Unsicherheiten war sich jedoch die Mehrzahl der Schüler einig, den 1. September 1939 als offiziellen Kriegsbeginn anzuerkennen.

Verschiedene Meinung zum Kriegsgrund

Und mal abgesehen vom taggenauen Datum – was war der Auslöser für die grausamen Feldzüge, denen innerhalb von sechs Jahren knapp 60 Millionen Menschen zum Opfer fielen? Auch da scheiden sich die jungen Geister.

„Anfangs war Hitler nett und versprach den Menschen Arbeit und Geld. Dann fing er, an die Deutschen auf die Juden zu hetzen. Damit begann der Zweite Weltkrieg“, schreibt ein Schüler. „Deutschland griff Frankreich an, um mehr Land zu erobern. Dadurch fing der Krieg an“, meint ein anderer. „Der Zweite Weltkrieg hat mit der Wirtschaftskrise begonnen, weil viele Menschen arbeitslos waren“, lautet eine dritte Einschätzung. Oder: „Deutschland hat einfach grundlos Länder angegriffen, die sich dann wehrten und so entstand der Zweite Weltkrieg.“

Der Überfall auf Polen

Als erstes habe der Krieg jedenfalls ganz klein angefangen, und ohne dass man ahnen konnte, wie schlimm er werden würde, erklären die Schüler. Und damit, dass Hitler eine Partei gegründet hat, die den Menschen in Deutschland viele Arbeitsplätze und den Ausbau von Autobahnen versprach.

Manch einer wusste es dann doch etwas genauer: „Es begann damit, dass eine Gruppe von Hitlers Truppen zu einem kleinen Bahnhof in Polen vordrang und dort Sprengladungen an einer wichtigen Zugverbindung deponierte“, erklärt Antonius. „Dem deutschen Volk wurde erzählt, dass die Polen den ersten Schuss gesetzt hätten und dass die deutsche Wehrmacht nun zurückschlagen musste.“ Emiel hat glatt noch das passende Zitat parat: „Seit 5:45 Uhr wird zurück geschossen“, habe Adolf Hitler der Menge am 1. September 1939 vor dem Reichstag entgegen geschmettert. Doch die polnischen Angriffe seien inszeniert gewesen, um dem deutschen Volk eine Verteidigungshaltung vorzugaukeln.

Hitler sei nicht alleine Schuld gewesen

„Es begann also auf jeden Fall alles damit, dass die Deutschen in Polen eingezogen sind“, erzählt eine Schülerin die Geschichte weiter. „So kam es dazu, dass sich zwei Gruppen bildeten: Russland, Frankreich und die Chinesen und auf der anderen Seite die Deutschen und die Japaner. Als Hitler weitere Länder besetzen wollte, kam die USA dazu und so ging der Krieg um die ganze Welt.“ Das sei alles eine Art Blitzkrieg gewesen, sagt Nora. „Alle waren so geschockt, dass sie sich gar nicht richtig wehrten.“ Und während Hitler in den anderen Ländern im Krieg war, habe in Deutschland das Morden begonnen. „Juden wurden in Gaskammern gesteckt oder arbeiteten sich zu Tode. Und auch in anderen Ländern scharrte Hitler alle Juden zusammen“, erklärt Nora weiter. Tausende seien durch die menschenunwürdige und verachtenswerte Verfolgung in Konzentrationslagern gestorben, fährt Luisa fort. Widerstandsgruppen seien zur Zwangsarbeit verschleppt und in den meisten Fällen hingerichtet worden. „Und in Russland zum Beispiel nahmen die Nazis alle Öfen aus den Häusern, nur damit sie mit den Steinen die matschigen Straßen für ihre Panzer pflastern konnten“, erzählt Nora. „All diese Menschen sind dann im Winter erfroren.“

Wegen der Bombenangriffe hätten die Menschen sich in Bunkern verstecken müssen, ohne etwas zu Essen, erklärt Alina. „Hitler hat dafür gesorgt, dass ihm das nicht passiert. Er hatte einen Bunker unter seinem Haus, der mit Essen vollgestopft war.“ Aber Hitler sei nicht alleine Schuld an all dem gewesen, lenkt Nora ein. „Es mussten auch noch andere Menschen mitmachen und das waren ziemlich viele“, so die Schülerin.

Besuche von Zeitzeugen sind immer eindrucksvoll

„Als Hitler dann mit den Nazis in Russland einfiel, scheiterte er an einem sehr kalten Winter, für den die Russen besser vorbereitet waren“, fährt ein Schüler fort. „Hitler war einfach dumm, Russland anzugreifen“, meint Jannis. „Die hatten weiter entwickelte Waffen und stärkere Panzer und ein viel größeres Land.“ Hitler sei immer „größenwahnsinniger“ geworden und habemehrere Länder gleichzeitig angegriffen, bis die Alliierten eines Tages in Deutschland einfielen. „Am Ende des Krieges warf Amerika noch die Atombombe „Little Boy“ auf Japan“, erzählt ein Schüler. „Danach ergab sich das Land, da sie sich überlegt hatten, dass es keine Menschen mehr haben würde, wenn Amerika noch eine Bombe wirft.“

„Nach langen Gefechten wurden die Deutschen letztlich besiegt und Deutschland wurde unter den vier Großmächten aufgeteilt: USA, Frankreich, Russland, England. Dadurch wurde auch die Berliner Mauer errichtet“, meint Luisa. „Als Hitler wusste, dass es vorbei war, vergiftete er zuerst seine Familie und dann sich selbst“, beendet eine andere Schülerin die Geschichte. „Ich bin froh, dass das alles Vergangenheit ist“, sagt Nora. „Aber ich weiß auch, dass in anderen Ländern immer noch viel Krieg ist.“

Verbunden mit all diesen Daten und Fakten, die den jungen Schülern in der Summe doch erstaunlich präsent sind, sind die Lebensgeschichten und Schicksale unzähliger Menschen. Die Gesamtschule Holsterhausen nimmt den 75. Jahrestag daher zum Anlass, eine dieser Geschichten noch einmal lebendig werden zu lassen und hat für heute eine Zeitzeugin eingeladen. „Für die Kinder sind solche Besuche immer sehr eindrucksvoll“, sagt Schulleiterin Ulrike Pelikan. „Niemand kann ihnen diesen Teil der Geschichte anschaulicher näher bringen, als ein Zeitzeuge.“