Am Sonntag beendet der Tatort in der ARD seine Sommerpause. Die Kommissare ermitteln ab 20.15 Uhr wieder und suchen Mörder. Das Sendeformat soll, so der Anspruch, die Wirklichkeit abbilden. Wir sprachen mit einem echten Essener Polizisten.

Am Sonntag beendet der Tatort in der ARD seine Sommerpause. Die Kommissare ermitteln ab 20.15 Uhr wieder und suchen Mörder. Das Sendeformat soll, so der Anspruch, die Wirklichkeit abbilden. Schafft das der Tatort? WAZ-Redakteur Thorsten Schabelon sprach mit Rolf Kullmann, 57, der seit langen Jahren bei der Kripo in Essen arbeitet und bei Tötungsdelikten ermittelt.

Herr Kullmann, haben Sie einen Lieblings-Tatort?

Münster. Ich mag den Gerichtsmediziner und den Zwist zwischen Boerne und Thiel. Schöne Unterhaltung. Da kann ich entspannen. Wie viele meiner Kollegen. Wir wissen ja, dass die Wirklichkeit anders ist.

Was fehlt Ihnen im Tatort?

Es fehlt zum Beispiel Schreibarbeit, die 70 bis 80 Prozent unserer Arbeit ausmacht. Bei Zeugenvernehmungen oder Täterverhören wird so gut wie nie was aufgeschrieben. Diese Kleinarbeit, auch die Recherche in Akten, ist wohl zu langweilig. Dann das Auftreten der Tatort-Kollegen...

Das Auftreten?

Frau Lindholm aus Hannover taucht bei Tötungsdelikten allein am Tatort auf. Das gibt es nicht. Dann haben die Kommissare einen Haftbefehl und dürfen alles. Das geht auch nicht. Wir können nicht mal eben eine Kippe oder ein Glas einstecken und dann von heute auf morgen einen DNA-Abgleich machen lassen. Wir brauchen für alles einen eigenen Beschluss. Und es dauert schon mal zwei Wochen, bis der da ist.

Sind Sie regelmäßig Gast in der Gerichtsmedizin?

Ich war schon mal bei Obduktionen dabei und habe damit kein Problem. Wir haben ja eine bis sieben Leichen pro Schicht und ich bin direkt nach der Schutzpolizei vor Ort. Das sind natürlich nicht immer Tötungsdelikte. Wir werden auch immer bei unbekannten Todesursachen gerufen.

Stellen Sie oft die Frage „Wo waren Sie gestern Abend?“

Natürlich Ein Tat-Ort zwingt uns ein Vorgehen auf. Vom Tod des Opfers arbeiten wir uns Stunde um Stunde zurück, suchen Hinweise, Motive, Zeugen. Ein Beispiel: In Altendorf fanden wir einen Toten in seiner Wohnung. Gegenstände am Boden, Blut an den Wänden. Sehr merkwürdig. Ein Verwandter erzählte uns, dass der Mann Epileptiker war. Die Verletzungen passten zu einem Sturz. Es war ein natürlicher Tod.

Tragen Sie Ihre Waffe so offen wie Frau Thomalla im Tatort-Leipzig?

Nein, verdeckt. Es muss nicht jeder sofort sehen, wer ich bin und, dass ich einen Ballermann dabei habe.

Gibt es Schicksale, die Sie mit nach Hause nehmen?

Ich finde es verwerflich, wenn Senioren beklaut werden. Schlimm ist dann, wenn sie von der eigenen Familie beschimpft werden, weil sie nicht aufs Erbe aufgepasst haben.

Wünschen Sie sich manchmal, dass bei Ermittlungen mehr möglich wäre, als das Gesetz zulässt?

Es ist manchmal unbefriedigend, wenn man an die Grenzen des Gesetzes stößt. Aber ich habe auf das Gesetz einen Eid geleistet. Es ist zumindest eine persönliche Befriedigung, wenn man den Richtigen erwischt hat und der mit einer saftigen Strafe eingesperrt wird. Dann gehe ich mit gutem Gefühl nach Hause.