Essen. Die Essener Münsterkirche ist in ihrem Kern fast 1000 Jahre alt, prunkt aber nicht und duckt sich fast hinter der Anbetungskirche St. Johann weg. Besonders der achteckige Westbau, der den Bombenkrieg noch am besten überstanden hat, ist kunsthistorisch bedeutend.

Die alte Kirche vorne an der Kettwiger Straße hat zwar einen schönen, ansehnlichen Turm und eine mächtige Wand aus alten Steinen, aber auch wenn viele das spontan glauben: Der Dom ist das keineswegs. Der versteckt sich fast ein wenig im Schatten der Anbetungskapelle St. Johann. Für die katholische Kirche, die überall auf der Welt architektonisch gerne zeigt, was sie hat, wirkt die Essener Situation ungewöhnlich bescheiden. Das wirkt sympathisch, trägt aber vielleicht mit dazu bei, dass beim Essener Dom, früher auch Münsterkirche genannt, Bedeutung und Bekanntheit etwas auseinanderklaffen.

In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts befand sich das adelige Damenstift Essen auf dem Höhepunkt seines Ansehens und seiner Macht. Die Äbtissin und Kaiser-Tochter Theophanu ließ um 1040 auf den Grundmauern zweier Vorgängerkirchen ein Gotteshaus bauen, dessen Dimensionen in etwa dem heutigen Dom entsprechen.

100 Orte in EssenDer Pfalzkapelle in Aachen nachempfunden

Kunsthistorisch besonders wertvoll ist dabei jener Gebäudeteil, der im Zweiten Weltkrieg noch am wenigsten beschädigt wurde, und in weiten Teilen im Original erhalten blieb: der achteckige Westbau, der der Pfalzkapelle in Aachen nachempfunden ist. Wer der Architekt war, welchen genauen Einflüssen er aus welchem Gründen folgte, all das ist entweder unbekannt, oder nur indirekt zu schließen. Ein Meister seines Fachs muss er gewesen sein.

Mit den eigentümlichen drei Türmen, auch sie bis heute erhalten, bildete der Westbau in früheren Jahrhunderten so etwas wie die Schauseite des Doms, die allerdings schon im 15. Jahrhundert durch den Neubau der Kapelle optisch verriegelt wurde. Wer einen Eindruck von den schönen Proportionen des Westbaus bekommen will, sollte ungefähr in Höhe des Denkmals für Kardinal Hengsbach das offene, für den Kapellenbau einst verkleinerte Atrium betreten, das wie die Türme zu den ältesten Teilen des Domes gehört. Nirgendwo in Essen ist mehr frühes Mittelalter zu bewundern als in diesem Raum mit seinen klaren, würdevollen Formen.

Das Innere des Doms hat viele Bau-Moden erlebt

Im Jahr 1275 brannte die Kirche mit Ausnahme des Westbaus aus und wurde mit einem Hallenchor und den gotischen Elementen der Zeit erneuert, die bis heute in dem eigentlichen Kirchenschiff prägend sind. Aber auch die Dächer des Westbaus wurden – den Architekturmoden folgend – spitzer.

Das Innere des Doms hat noch mehr Moden erlebt als das Äußere, darunter auch eine vollständige Barockisierung, die um 1880 wieder durch gotische Stilformen ersetzt wurde, die man um diese Zeit für einen urdeutschen Ausdruck hielt. Auch von dieser nicht mehr originalen Innengestaltung ist wegen der Bomben des Weltkriegs aber fast nichts erhalten, so dass der heutige Besucher sich an einem Kirchenraum erfreuen kann, der durch eine weitgehende Schlichtheit auffällt. Der Dom, der erst seit der Gründung des Bistums 1958 zunehmend so genannt wird, ist schon deshalb ein Ort, der auch religiös unmusikalischen Menschen einiges gibt.

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