Die Stadt lässt in bislang guten Wohnlagen in Rellinghausen und Stadtwald sehr zum Ärger der Alt-Anlieger immer mehr voluminöse Wohnbebauung zu. Die Ureinwohner fühlen sich zunehmend belästigt, weil ihre Wohnqualität sinke, die neuen Nachbarn mit Billigung der Stadt ihre Grundstücke bis an die Grenzen der baurechtlichen Zulässigkeit ausschöpfen. Diese Tendenz ist schon bis zum zuständigen Verwaltungsgericht Gelsenkirchen durchgeschlagen. Die Richter mussten sich schon mehrfach, wie ein Vorsitzender gestern hervorhob, mit dem Problem „exzessiver Wohnbebauung“ beschäftigen.

Für acht Familien

Gestern jedoch wies seine Kammer die Klage von Anliegern der Kantorie in Rellinghausen ab. Sie sind Nachbarn der stadtbekannten Industriellenfamilie von Waldthausen. Die Kommune hatte einen positiven Bauvorbescheid erlassen. Danach dürfen die von Waldthausens ihr Stammhaus, ein imposantes Backsteingebäude, abreißen und stattdessen dort zwei abgestufte Häuser mit je vier Einheiten errichten lassen. Wohnte dort zuletzt nur eine ältere Dame, sollen dort demnächst acht Familien leben, die natürlich auch über eine Vielzahl von Fahrzeugen verfügen werden.

Dem Vorsitzenden Richter war fast schon menschliches Verständnis für den Unmut des Ehepaares anzumerken, als er ihm verkünden musste, dass seine Klage keine Erfolgsaussichten hatte. Denn solche Klagen greifen nur dann durch, wenn der genehmigte Bau den Nachbarn gegenüber unzumutbar und rücksichtslos ist. So lange aber, wie in diesem Fall, baurechtliche Bestimmungen wie zum Beispiel vor allem ausreichender Abstand eingehalten werden, können sie nichts gegen die Pläne machen. Und selbst wenn die Stadt Fehler gemacht hat: Für die Kläger wirkt sich das erst aus, wenn sie selbst große Nachteile daraus haben.

Für die gestrigen Kläger war das bitter: Viele Jahre hatten sie einen wunderschönen Blick von der neben ihrem Haus liegenden Terrasse auf den nahen Wald. Mit dieser Idylle ist es vorbei, wenn die beabsichtigten Bauten stehen. Sie wären dann so eingepresst, dass ihnen nur noch ein „Tunnelblick“ bleibe.

Menschlich verständlich, aber rechtlich irrelevant ist diese Argumentation, wie das Gericht betonte. Ein Versuch des Richters, die Parteien zu einer Zeit kostenden Moderation oder einem Vergleich zu bewegen, scheiterte am Widerstand der Architektin des potenziellen Bauherrn. Im Vorfeld war davon die Rede, den Klägern bis zu 15.000 Euro zu geben, wenn sie zugleich einer problematischen Garage an der Grundstücksgrenze ihren Segen geben würden. Letzteres wollten die Kläger nicht. Dabei hätten sie das Geld für die Verlegung der Terrasse von der Seite an die Rückwand ihres Hauses gut gebrauchen können. Das soll etwa 40.000 Euro kosten.

Was bleibt den Klägern? Sie können den Nachbarbau noch sehr verzögern, durch eine Berufung und eine erneute Klage gegen die endgültige Baugenehmigung. Das kann Jahre in Anspruch nehmen. Zudem erwägen sie, eine Bürgerinitiative gegen die übermäßige Bebauung in ihrem Stadtteil zu gründen. Sie erhoffen sich Hilfe von der Politik, die einen restriktiven Bebauungsplan initiieren soll. Zudem soll die Behörde prüfen, ob das Stammhaus der von Waldthausens nicht unter Denkmalschutz gestellt werden soll und dann vielleicht nicht abgerissen werden darf.

Das Aktenzeichen: 5 K 3451/13