Essen. . Semir Mandaric (23) zog seinen schwer verletzten Nachbarn aus dem Feuer. Die Feuerwehr spricht von Anerkennung, gleichzeitig aber auch von viel Glück: „Er hätte auch zum tragischen Helden werden können.“ 55 Einsatzkräfte kämpften fünf Stunden mit den Flammen in Altenessen.

Den dicken Kloß im Hals, das Kratzen im Rachen, das spürt Semir Mandaric auch sechs Tage nach dem Brand in Altenessen. Der 23-Jährige steht an der Rahmstraße und blickt an der hellblauen Fassade hoch. Dort klaffen zwei schwarze Löcher, wo bis vergangenen Samstag noch Fensterscheiben waren, hinter denen ein Paar lebte. Es waren dramatische Augenblicke, als Semir Mandaric an dem Abend den Mann dort aus den Flammen rettete.

Der junge Bürokaufmann wohnt nur drei Häuser entfernt. Er besucht an dem Abend seine Nachbarn über ihm, als ein kleines Mädchen unten auf der Straße schreit: „Es brennt!“ Der 23-Jährige blickt aus dem Fenster und sieht Qualm. „Als ich draußen war, brannte es nebenan schon lichterloh.“ Menschen riefen, dass da oben noch jemand sei, erinnert er sich. „Ich bin sofort hochgerannt.“

Vor der Wohnungstür steht ein Mann, der versucht, durch die Flammen in die Wohnung zu gelangen. „Er war voller Brandwunden und schrie ständig nach seiner Frau“, beschreibt der 23-Jährige, der kurz bei dem Anblick erstarrt, weil er nicht weiß, wie er den Schwerverletzten anfassen soll. Dieser wehrt sich dann heftig, doch Semir Mandaric packt ihn schließlich, schleppt ihn die Treppen herunter. Als er ihn im Freien absetzt, rufen einige aufgeregt, dass die Frau noch in der Wohnung sein müsse. Der 23-Jährige rennt wieder hoch: „Ich hatte keine Chance, der ganze Flur brannte“, sagt er und weiß zu dem Zeitpunkt nicht, dass Anwohner die Vermisste zuvor bereits in den Hof gebracht hatten.

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Wenige Atemzüge Rauch können zum Tod führen

Der Rettungsdienst fährt die beiden Schwerverletzten anschließend in Spezialkliniken. 55 Kräfte der Feuerwehr kämpfen fünf Stunden lang mit dem Feuer und seinen Folgen. „Mit viel Glück ist der Einsatz des jungen Mannes gut gegangen“, sagt der stellvertretende Feuerwehrchef Thomas Lembeck. Er betont gleichzeitig, dass Semir Mandaric durchaus hätte zum tragischen Helden werden können. Jeder müsse in dieser Lage „genau einschätzen können, ob er tatsächlich helfen kann“.

Von eindeutig falsch oder richtig könne man hier nicht sprechen. Falsch wäre es jedoch, in einen völlig verrauchten Raum zu gehen. Wenige Atemzüge könnten tödlich enden. Niemand solle zudem glauben, unter der Belastung und bei der Aufregung die Luft anhalten zu können, sagt Lembeck. Bei aller Anerkennung für den 23-Jährigen: „Wir hätten beide auch tot bergen können.“

"Blutdruck erhöht, sonst okay"

Semir Mandaric hat sich an dem Abend im Krankenwagen untersuchen lassen. „Mein Blutdruck war erhöht, sonst war ich okay.“ Der Gefahr aber ist er sich durchaus bewusst. „Ich hatte sie verdrängt und erst zwei Tage später realisiert, was passiert ist“, sagt er und vergleicht das Erlebte mit Szenen, die er bis dahin aus Hollywoodfilmen kannte. „Doch ich würde es sofort wieder tun, wenn ich wüsste, dass ich helfen kann.“ Ansonsten würde er sich sein Leben lang Vorwürfe machen, sagt Semir Mandaric und denkt an seinen Nachbarn: „Ich hoffe so sehr, dass er überlebt.“