Günther O. soll es nicht dabei belassen haben, seine Stieftochter zu missbrauchen, er filmte sie dabei, bugsierte sie zugleich in eine „völlige Abhängigkeit und soziale Isolation“. Nur so lässt sich nach Ansicht der Anklage erklären, dass Madeleine erst Strafanzeige erstattete, als sie im August vor zwei Jahren von zuhause floh.

Die Polizei ging der Sache nach, durchsuchte drei Monate später die Dachgeschosswohnung an der Carl-Kruft-Straße in Bochold, doch Günther O. hatte auch für diesen Fall vorgesorgt: Er präsentierte den Ermittlern eine eidesstattliche Versicherung, in der Madeleine erklärte, mit ihrem Stiefvater stets einvernehmlich Sex gehabt zu haben.

Hätte das stutzig machen müssen? Für manchen Prozessbeobachter muss sich die Staatsanwaltschaft jedenfalls den Vorwurf gefallen lassen, nicht früh, nicht massiv genug eingeschritten zu sein. Hätte man die Tat so am Ende gar verhindern können?

Günther O., so die Anklage, war vom Gedanken beseelt, mit Madeleine auch alle Probleme für sich aus der Welt schaffen zu können. Doch wie an sie herankommen? Für die Kontaktaufnahme baute er seinen Sohn Daniel in einen perfiden Plan ein, gab sich mal als neuer Freund von Madeleine aus, kontaktierte ehemalige Klassenkameraden und hörte Telefonate über eine Konferenzschaltung mit.

Und er ahnte, wie er seine klamme Stieftochter aus der Anonymität locken konnte: mit Geld. Ein hübsches Sümmchen soll Madeleine versprochen worden sein, als sie sich am 11. Februar, einem Dienstag, morgens um neun am Gelsenkirchener Hauptbahnhof mit Daniel traf. Der lotste sie zu einem Wagen, in den dann – wohl sehr zu ihrem Entsetzen – der Peiniger von einst zustieg.

Was genau in der Kleingartenanlage am Weidkamp geschah, lässt sich nur am geschundenen Leichnam von Madeleine ablesen, den die Polizei unter zwei Erd- und Rindenmulchschichten und zwei Platten Schnellbeton fand. Sieben Tage war die junge Frau da schon vermisst, und der Schrebergarten O.s schlicht der nächste abzuarbeitende Punkt. Zuvor hatten Taucher bereits im Stadthafenbecken vergeblich gesucht.

In Parzelle 42 zeigten die Leichenspürhunde Interesse – nicht mehr. Und den ermittelnden Kripobeamten kam Spanisch vor, dass in einem ansonsten eher vernachlässigten Garten drei Zuckerhut-Pflanzen frisch gepflanzt waren. Man grub, fand frische Pflanzenreste, grub weiter, stieß auf eine erste Betonschicht, erneuten Boden und eine zweite Betonschicht. Erst als das herbeigerufene Technische Hilfswerk ein Loch in die zweite Betonschicht meißelte, kam eine Jeans zum Vorschein, man sah ein Bein – die sterblichen Überreste von Madeleine waren gefunden.

Im Prozess nahm die Schilderung der als Zeugen geladenen Polzisten gestern viel Raum ein. Vorn am Richtertisch wurden Fotos vom Fundort gezeigt, später auch von der „völlig übermöblierten und zugestellten“ Dachgeschoss-Wohnung des Angeklagten. Der Essener Kripomann schildert das Zuhause als „nah an einer Messie-Wohnung“ – was Günther O., der sich bis dahin eher gelangweilt in den Sessel gefläzt hatte, mit einem kurzen Stirnrunzeln quittiert. Aber dann merkt er auf, als der Polizist über die abenteuerliche Verkabelung in der Wohnung sprach. Da musste er dann doch schmunzeln. Offenbar sehr komisch, das.