Essen-Karnap. . 1978 gab es in Essen um die 40 Biker-Clubs. Einer davon war der „MC Outlaws Essen-Karnap“. 26 Jahre nach dem Aus des Clubs trafen sich nun 80 leicht ergraute Ehemalige auf dem Karnaper Markt - und erinnerten sich an die alten Zeiten. Welche Rolle dabei ein Sarg auf der Karnaper Straße spielte.
Es gab eine Zeit, da trafen sich Rocker noch zum Motorradfahren, hörten handgemachten Hardrock und hatten ständig Schmieröl vom Schrauben unter den Fingernägeln. Damals machten die „Outlaws Essen-Karnap“ die Karnaper Straße „unsicher“: 26 Jahre nach ihrer Auflösung trafen sich die „alten Herren“ auf dem Markt.
Und den „Bürgerschreck“ sieht man vielen der knapp 80 Biker, die im Laufe des Samstagmittags auf ihren Harleys auf den Markt knattern, definitiv nicht mehr an. „Wir sind ja auch schon alle über 50, so einige fahren ihre Enkel nun spazieren. Außerdem waren wir ja auch nicht die ,harten Jungs’, die meisten hatten und haben gute Jobs“, erzählt Tommi Bach (52), während er alle zwei Minuten einen Neuankömmling begrüßt. Verschiedene Handwerkermeister sind dabei, Computerfachmänner, Bach selbst ist Maschinenglasmacher in der benachbarten Glashütte.
Seit einigen Jahren trommelt er die alten Kumpel ein Mal im Jahr aus ganz Deutschland zusammen. „Wir kennen uns über Jahrzehnte, haben dieselben Kindergärten und Schulen besucht, unsere Jugend zusammen verbracht – schon vor dem Motorradfahren“, erzählt Bach.
„Das Wochenende auf dem Bock und mit den ,Brüdern’ war Lebensinhalt“
Das Biken fing 1978 an. Gegründet als Club für Motorrad-, aber auch für Autofahrer (!), wollte sich die wilde Jugend in Karnap damals ihre eigene Nische schaffen. Nach und nach wurden auch bei den Nachzüglern aus vier Rädern zwei und die Verkaufszahlen der Kultmarke Harley-Davidson stiegen hinter dem Kanal. „Motorradclubs waren damals in Mode, in Essen hatten wir bestimmt 40 davon. Mit unseren um die 100 Mitgliedern lagen wir so im Durchschnitt“, erinnert sich Tommi Bach.
Er war mit 18 Jahren das Küken, als er einstieg. „Man war jung, rebellisch, der Zusammenhalt war klasse. Das Wochenende auf dem Bock und mit den ,Brüdern’ war unser Leben“, erinnert sich Bach und grinst. Sein ehemaliger Kollege Rolf Blenn, früher Vokuhila mit Schnauz, heute jung gebliebener 51-Jähriger mit modischem Bart, ergänzt: „Wir waren zusammen in ganz Deutschland unterwegs. Das war klasse, alleine hätte man das bestimmt nicht gemacht.“
Und die Gewalt? Klar, habe es damals auch schon Konkurrenz unter den Clubs gegeben, doch ging es da wohl mehr um die Männerehre. Gegenseitig „durchgerüttelt“ habe man sich schon. „Aber das ist gar nichts im Vergleich zu dem, was man heute so liest“, erzählt Bach.
Die heimische Basis richtete man sich liebevoll ein. Traf man sich zunächst auf dem Markt, ging es weiter zur Kneipe „Treffpunkt“ (Karnaper Straße), bis man sich einige Meter entfernt den alten Hochbunker gegenüber der Tankstelle unter den Nagel riss. Clubraum mit Theke, auf der Etage darüber eine Matratzenlandschaft: „Von hier aus haben wir auch halb Karnap mit Bier versorgt“, räumt Blenn mit der Mär vom Karnaper Bürgerschreck auf.
Sarg auf der Karnaper Straße
Nun ja, den einen oder anderen Schreck gab es doch. Etwa die Geschichte mit dem Sarg auf der Karnaper Straße. „Damals war es in, dass man einen Sarg in der Bude hatte. Wir haben unseren nach einer durchzechten Nacht aus Spaß einfach ‘rausgestellt“, berichtet Bach. Natürlich war in der schwarzen Kiste höchstens eine Schnapsleiche.
Nach zehn Jahren, 1988, war Schluss mit den wilden Jungs. Ganz abgerissen ist der Kontakt untereinander nie. Benzin ist eben auch in Karnap dicker als Wasser.