Essen. . Der Einwand kommt vom Pfarrer der Alt-Katholiken, der fragt: Warum wendet sich der Aufruf nicht ausdrücklich gegen Christenverfolgung? Er reagiert damit auf das Zeichen von Muslimen, Juden und Christen, die sich gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit aussprachen.

Gerade erst haben sich Vertreter der Religionen samt Stadtspitze in einer „Erklärung“ gegen Hass und Gewalt ausgesprochen, da kommt ein Einwand von Seiten der Alt-Katholischen Kirche: „Warum wird nicht auch die am meisten verfolgte Christenheit mit ins Wort genommen?“, fragt Ingo Reimer, Landesdekan der Alt-Katholischen Kirche und Essener Pfarrer. Mit dem Schriftstück haben muslimische, jüdische und christliche Vertreter auf die Ausschreitungen nach zwei Kundgebungen reagiert, bei denen am 19. Juli pro- und anti-israelischen Demonstranten nur mit großem Polizeiaufgebot auseinander gehalten werden konnten.

„Aus genau diesem Anlass haben wir unsere Erklärung verfasst“, sagt Muhammet Balaban, Mitglied des Initiativkreises und Vorsitzender im Dachverband Moscheen. Es sei die Reaktion auf die Demos und die Bilder von Essen, die bundesweit verbreitet worden sind, daher wendeten sie sich gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. „Aber, wer richtig liest, findet ebenso die Sätze, in denen wir uns gegen die Verunglimpfung aller Religionen aussprechen“, sagt Balaban und Willi Overbeck, ebenfalls vom Initiativkreis, schließt sich an.

Islamfeindlichkeit im Zusammenhang mit der Eskalation am Willy-Brandt-Platz? Über diese Verknüpfung mag man sich wundern. Die Polizei meldet bei ihren aktuellen Auswertungen des Bildmaterials bisher ausschließlich Plakate oder Parolen mit antisemitischen Inhalten, jedoch keine islamfeindlichen. Und dennoch wendet sich die Erklärung ausdrücklich gegen Islamfeindlichkeit. Warum also nicht auch gegen Christenverfolgung? Reimer: „Ich hätte es gut gefunden, auch die christlichen Kirchen ausdrücklich zu nennen.“

Der Pfarrer bezweifelt zudem, dass es sich bei den jüngsten judenfeindlichen Äußerungen um einen neuen Antisemitismus handele: „Hat man nicht schon seit Jahren Wort für Wort dieselben Parolen gehört? In Essen schon“, sagt er. Er zumindest, der an der Alt-Katholischen Kirche in direkter Nachbarschaft zur Alten Synagoge lebt, erlebte erst Anfang Juli nachts ein böses Ereignis vor seiner Haustür, wo ein belangloser Streit in Schmähungen und Hitlerrufen mündete.

„Die vom Initiativkreis geforderten Gesprächskreise sind wichtig“, sagt Reimer zur Passage der Erklärung, in der besonders das Anliegen nach einem jüdisch-islamischen Dialog formuliert ist. „Diese Gespräche müssen gleichsam mit den Christen in Gang kommen, wir müssen alle an einen Tisch.“