Essen. Da kauft man ahnungslos ein schönes Klatschblatt im Büdchen und plötzlich steht man mitten im Konzert. Eine Klarinett-Formation macht’s möglich. Ab sofort geht „Die Verwechslung“ zwischen Dortmund und Duisburg wieder auf Tour und bietet zur Bulette ziemlich ungewöhnte Klänge.

Eine ältere Dame aus Bottrop schaute ziemlich verdutzt drein, als sie am Büdchen beim Kauf ihrer Klatsch- und Tratsch-Zeitschriften von tiefen Bassklarinetten-Klängen überrascht wurde. Die Töne folgten ganz offensichtlich keiner ihr bekannten Melodie, hüpften einfach in ihr Ohr. „Das verstehe ich nicht“, raunte sie ihrem Begleiter zu. „Musste auch nicht“, antwortete der in sattem Pott-Slang, „is’ ja kein Mathe.“

Das Bassklarinetten-Quartett „Die Verwechslung“ erzählt gerne diese Geschichte, wenn es seine Mission erklären möchte: Seit Montag sind Florian Walter, Markus Emanuel Zaja, Felix Fritsche und Patrick Hagen wieder drei Wochen lang auf der „Trinkhallentour Ruhr“ an Kiosken von Dortmund bis nach Duisburg unterwegs.

Musik und Improvisationskultur zwischen Regale mit Hochprozentigem

Gemeinsam mit Gastkünstlern bringen sie ihr Verständnis von neuer Musik und Improvisationskultur zwischen Regale mit Süßem, Saurem und Hochprozentigem. Den Reiz mache dabei das besondere Publikum aus: „Die Trinkhallen gehören zu den wenigen Orten im Revier, an denen alle Generationen und Gesellschafts­-schichten zusammenkommen. Da sind Menschen, die in die Oper gehen und Leute, die Heavy Metal hören“, sagt Florian Walter. Dass ihre Musik auch auf Unverständnis stößt, ist gewollt: „Auch, wenn jemand einfach geht, setzt er sich ja mit unserer Musik auseinander“, sagt Patrick Hagen. Passiert ist das nicht oft: Zu schräg ist die Performance mitunter, zu sehr möchte der Zuhörer wissen, was als nächstes kommt.

So wie beim Auftakt am Montagabend, als der Bochumer Aktionskünstler Matthias Schamp als lebendige Lichtorgel zwischen den mächtigen Bassklarinetten umherwirbelte. Am Dienstagabend verwandelte der Dortmunder Balletttänzer Ivica Novakovic den Wittener Kiosk an der Annenstraße in seine Bühne – münzte die tiefen Bassklänge in Bewegungen um.

Alle sind studierte Musiker

Die 45-minütigen Büdchen-Konzerte leben von Überraschungen. Ebenso spontan denken sich die studierten Musiker – die hauptberuflich an Musikschulen unterrichten oder in Combos spielen – Titel für ihre Stücke aus. „Staub in der Lunge“ oder „Ouvertüre aus Stahl“ heißen Improvisationen, wohl wissend, dass diese Zeiten an der Ruhr längst vorüber sind.

„Kein Instrument kann in der Tiefe wohl besser den Klang des Ruhrgebiets wiedergeben als die Bassklarinette. Diese Konzerte sind auch eine Hommage an unsere Heimat“, sagt Patrick Hagen, der in Mülheim lebt, aber überzeugter Bewohner der „Ruhrstadt“ ist. Und eben dieser Ruhrstadt möchte „Die Verwechslung“ etwas Unverwechselbares zurückgeben.

Die Termine der Trinkhallentour

1. August: Essen, Trinkhalle an der Von-Seeckt-Straße 1
(Performance mit Pia Wagner)

4. August: Bochum, Lotto Bender, Herner Straße 67
(Instrumental/Stimme)

5. August (18 Uhr): Duisburg, Zigarrenhaus Gerhard, Oststraße 149 (Poesie mit Joscha Hendricksende)

6. August: Dortmund, Kiosk Sahin, Nederhoffstraße 10
(Saxofon)

8. August: Essen, Trinkhalle an der Von-Seeckt-Straße 1
(Sound-Poesie)

11. August: Bochum, Petras Kiosk, Hattinger Straße 609
(Elektronik mit Joker Nies)

12. August: Bottrop, Die Puddingschnecke, Essener Straße 70 (Bass/Synthesizer)

13. August: Dortmund, Kiosk Adler, Adlerstraße 59
(Elektronik und Basstrommel)

14. August: Bottrop, Die Puddingschnecke, Essener Straße 70 (Elektronik/ Synthesizer)

15. August: Essen,Von-Seeckt-Straße 1, (Saxofon/Elektronik)

Sofern nicht anders angegeben, beginnen die Konzerte um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.