Essen. Vor 50 Jahren, am 5. August 1963, benannte Rot-Weiss Essen sein „Stadion an der Hafenstraße“ nach dem Vereinsvater Georg Melches. Vor und nach dem Krieg hatte er das Stadion aufgebaut, das als Hexenkessel und später auch als „Dreiviertel“-Stadion Berühmtheit erlangte.
Wie ein Fußballstadion heißt, bestimmt heute meist der Hauptsponsor, beim neuen „Stadion Essen“ war auch die Stadt als Eigentümer für den betont neutralen Namen. 1964 aber besaß noch der Traditionsverein Rot-Weiss Essen selbst das „Stadion an der Hafenstraße“. Damals ging’s bei der Umbenennung allein um die Ehre – um die des RWE-Mitbegründers, Meistermachers und Stadiongestalters Georg Melches. Der willensstarke Macher mit dem Schlapphut war 1963 im Alter von 70 Jahren gestorben. Ihm zu Ehren also wurde das Stadion vor 50 Jahren, am 5. August 1964, in Georg-Melches-Stadion umbenannt.
Wie die Fans auf den Rängen, wie die Helden auf dem Platz und ihre Schlachten dort hat Melches zum „Mythos Hafenstraße“ beigetragen. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte er den Bau des „Stadion Rot-Weiss“ nach eigenen Plänen vorangetrieben. Nach dem Krieg trommelte er Mitglieder vor den Trümmern der Tribüne zusammen und organisierte Baumaterial für den Wiederaufbau. Seine Beziehungen, das „System Melches“ nutzte der Bergwerksdirektor auch, um die legendären Mannschaften zusammenzustellen, die 1953 Pokalsieger und 1955 Deutscher Meister wurden.
Die Haupttribüne setzte Maßstäbe
Als der Verein auf Augenhöhe mit Schalke und dem BVB spielte, konnte er eine Haupttribüne einweihen, die Maßstäbe setzte: Die Multifunktionsanlage hatte 4784 Sitzplätze und im Bauch Platz für eine Sauna, Entmüdungsbecken, eine Turnhalle, für Geschäftsstelle, Gaststätte und Wohnungen.
Die Zeitung des Fußballverbandes nannte die Tribüne ein „technisches Wunderwerk“, da ihr „Dach freitragend, 15 Meter über dem Erdboden, in einer Ausdehnung von mehr als 100 Meter die Sitzplätze überwölbt“. Das „deutsche Highbury“ lockte Fußball-Funktionäre aus ganz Deutschland nach Bergeborbeck.
Rot-Weiss Essen verschuldete sich für das Stadion
Aber: „Das Stadion hat uns schon zu Melches Zeiten in jedem Jahr fünf gute Spieler gekostet“, erklärte der damalige Geschäftsstellenleiter Paul Nikelski einmal die finanzielle Belastung durch Ausbau und Instandhaltung. Während in Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund vor und nach der WM 1974 die Städte mit Hilfe von Land und Bund neue Arenen für die Revierrivalen bauten, verschuldete sich Rot-Weiss bei der Überdachung der Nordtribüne weiter. Geld, das für die Finanzierung des sportlichen Erfolgs fehlte.
Mit dem Verkauf an die Stadt 1975 begannen die traurigen Kapitel der Stadiongeschichte. Unter diesen aber hat die Liebe der Fans zu ihrem Wohnzimmer nie gelitten, auch nach dem Bundesliga-Abstieg 1977 und dem Abriss der legendären Westkurve 1994 nicht. Die Erinnerungen an das Flair und die (Helden-)Geschichten blieben, als die Arena zum „Dreiviertel-Stadion“ mit nur noch drei Tribünen wurde und 2012 der „Abschied von Ruinen“ anstand. Es sind Geschichten von großen Siegen und bitteren Niederlagen, Anekdoten der eigenen Sozialisation im Hexenkessel. „Stahl und Kohle formten den Verein, wir werden Melches immer dankbar sein“, singen die Ultras Essen auch im neuen Stadion. Ihr großes Plakat sehen auf dem Weg dorthin Tausende. Darauf steht: „Für immer GMS“
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