Essen. . Der eine vergisst es, der andere ersteigert es: Bei der Fundsachenversteigerung der Evag kommen jedes halbe Jahr mehr als 1000 Klamotten, Regenschirme oder Handys unter den Hammer. Doch in den Bussen und Bahnen verliert sich auch so allerhand Exotisches.

„Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten. . . verkauft!“, ruft Gerichtsvollzieherin Bettina Marchlewski mit der strengen Stimme eines erfahrenen Auktionators. Das Bündel Regenschirme, zehn an der Zahl, hat für vier Euro einen Besitzer gefunden: Zuvor waren sie in einem der Linienbusse oder Straßenbahnen der Essener Verkehrsbetriebe (Evag) vergessen worden. Genauso wie all die bunten Köfferchen und Taschen, in denen verlorene Kleidungsstücke zu „Überraschungspaketen“ geschnürt wurden und von denen sich nun 250 auf einem großen Beistelltisch türmen; oder wie all die Schallplatten und Handys, die Kinderwagen und Fahrräder, wie das zwei Meter große Gemälde des „Letzten Abendmahls“, die in dieser Woche allesamt, nach einer halbjährigen Abholfrist, an den Meistbietenden verkauft wurden.

In einer kleinen Lagerhalle im Essener Westen versammelten sich schon am frühen Morgen ein gutes Hundert Schnäppchenjäger, Flohmarkthändler und Auktions-Novizen, um unter dem liegengelassenen Nippes ein echtes Schätzchen zu erbeuten: „Letztes Jahr habe ich drei Rucksäcke ersteigert. Darin war immerhin ein Paar Turnschuhe, mit dem sich der Kaufpreis gerechnet hat“, erinnert sich Edgar Schwill. Insgeheim hofft er – wie viele hier – aber an den großen Coup: „Man glaubt halt immer an den Klumpen Gold, der in einer Tasche zum Vorschein kommt.“

Schirme für den Flohmarkt

Etwas weniger anspruchsvoll ist da schon Wolfgang Meyer. Der Pensionär ist hier, „um mal zu schauen, was in der Bahn so liegenbleibt.“ Und weiß, dass die richtigen Schnäppchen nur schwer zu finden sind: „Hier sind ja auch viele Händler, die wissen, womit sie Geld machen können und kalkulieren ganz genau ihre Gebote.“

Einer von diesen Händlern ist Hans – selbsternannter „Schirmherr“ der Auktionen – und soeben Besitzer von zehn Regenschirmen geworden. Vor ihm stapeln sich knapp 150 Schirme. Verkaufen will er sie auf einem Gelsenkirchener Flohmarkt: „Mehr als sieben Euro darf ich pro Bündel nicht ausgeben, sonst rechnet sich das nicht.“ Später wird er die Schirme für einen bis zwei Euro weiterverkaufen. Ein lukratives Geschäft.

Ein gutes Geschäft ist die Versteigerung auch für die Evag: 2500 bis 3500 Euro nehmen die Verkehrsbetriebe heute ein. „Übrig bleibt am Ende nichts“, weiß Gudrun Ruddat, Evag-Mitarbeiterin. „Notfalls gehen die Sachen für einen Euro weg.“

Um deutlich mehr geht es später bei den Mobiltelefonen, ebenfalls in Bündeln verkauft. „Da können auch mal 160 Euro geboten werden“, sagt ein Mitarbeiter, als er das erste große Highlight des Tages über die Schultern stemmt: ein grünes Fahrrad, Modell Cruiser. Um das aufgemotzte Zweirad – im Fachgeschäft gerne mehrere hundert Euro wert – entbrennt ein Bieterstreit: 25, 30, 45, am Ende sogar 56 Euro, die ein Familienvater zu zahlen bereit war. Verdächtig zurückhaltend sind die professionellen Händler hier, und auch, wenn es um die „Überraschungspäckchen“ geht. Hier haben Evag-Mitarbeiter gefundene Kleidung und Accessoires im Vorfeld bereits in gefundene Rucksäcke verstaut.

Andrea aus Holsterhausen hat gleich in elf solcher Taschen investiert. „Hauptsächlich Wintermode. Aber ich habe viele Enkelkinder, da ist das Geld gut angelegt.“ Doch nicht nur aus Nächstenliebe macht die Rentnerin mit dem holländischen Akzent bei der Auktion mit. „Es ist immer auch eine Portion Nervenkitzel mit dabei.“

Ganz entspannt hingegen ist Gil-Horazio. Der Neunjährige sitzt auf einem Haufen Taschen, grüne, blaue, rote mit „Minnie-Maus“ drauf, und stöbert im Ersteigerten. „Papa bezahlt, ich schau nur schon mal rein“, erklärt er und wird fündig. Freudestrahlend hält er es hoch: ein Frankreichtrikot, Kindergröße, dazu die passende Hose. Gil also hat seinen Klumpen Gold gefunden – in Form eines Sporttrikots.