Essen. . Seit 2005 ermöglicht der Gesetzgeber Ausbildungen in Teilzeit. Doch noch immer sind nur wenige Unternehmen dazu bereit, alleinerziehenden Frauen so eine berufliche Perspektive zu bieten. Dabei können Mütter bei Arbeitgebern durchaus punkten: mit Organisationstalent und jeder Menge Lebenserfahrung

Die Szene dürfte wohl vielen berufstätigen Müttern bekannt vorkommen: Morgens noch schnell die Butterbrote für den Kindergarten schmieren, ein Abschiedsküsschen für die Kinder und dann geht’s schon wieder ab ins Büro. Ständiger Begleiter ist dann oft das schlechte Gewissen, mindestens einen Lebensbereich zu vernachlässigen – den Job oder die Familie. Auch im Jahr 2014 wird die Vereinbarkeit von beidem in vielen Betrieben noch immer vor allem als Frauenthema verhandelt.

Doch wie meistern junge Mütter diese Situation, wenn sie noch nicht mit beiden Beinen fest im Berufsleben stehen? Seit 2005 ermöglicht der Gesetzgeber Ausbildungen in Teilzeit. Den Unterricht an der Berufsschule müssen Teilzeit-Auszubildene vollständig absolvieren; die Zeit im Betrieb kann je nach Bedarf reduziert werden und wird dementsprechend geringer vergütet. Die Regionalagentur MEO in Essen bewirbt das Konzept intensiv mit Informationskampagnen und Gesprächsrunden, um Unternehmen von dem Ansatz zu überzeugen – mit mäßigem Erfolg.

„Es ist ein Weg der kleinen Schritte“, sagt Regina Schenberg, Projektkoordinatorin bei MEO. „Oft sind die Unternehmen skeptisch. Ich höre oft das Argument: Warum soll ich einen Teilzeit-Azubi beschäftigen, wenn ich einen in Vollzeit haben kann?“ Dabei sei die Einstellung einer alleinerziehenden Mutter durchaus kein karitativer Akt, sondern gerade diese Arbeitnehmerinnen verfügten über Schlüsselqualifikationen, auf die es auf dem Arbeitsmarkt ankommt, so Schenberg: „Eine alleinerziehende Mutter muss sehr gut organisieren und sich ihre Zeit einteilen können. Außerdem verfügen Frauen mit Kind oft schon über ein höheres Verantwortungsbewusstsein als andere Auszubildene, die gerade erst von der Schule kommen.“ Auch zeuge es von einer sozialen Unternehmenskultur, Arbeitnehmern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen.

Ähnlich sieht es die städtische Gleichstellungsbeauftragte Gerda Kaßner, die eng mit MEO zusammenarbeitet: „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels können wir nicht länger auf das Potenzial von Müttern auf dem Arbeitsmarkt zu verzichten.“ Arbeitgeber, die den Schritt gewagt haben, berichten größtenteils von positiven Erfahrungen mit Teilzeit-Auszubildenen wie Iris Mädje-Frösler, Filialleiterin bei Staples: „Wir praktizieren das seit Langem. Die anderen Angestellten sind meist bereit, den Teilzeit-Azubinen die Frühschichten zu geben. Die revanchieren sich, indem sie auch mal samstags arbeiten. Es ist ein Geben und Nehmen.“

Auch Inge Meinzer-Kahrweg, Ausbildungsleiterin bei der Emschergenossenschaft, ist von den Qualitäten ihrer Teilzeit-Auszubildenen überzeugt: „Die letzte Dame, die bei uns in Teilzeit ihre Ausbildung absolviert hat, hat mit Bestnoten abgeschlossen. Oft sind diese Frauen unheimlich motiviert, weil viel mehr für sie auf dem Spiel steht.“ Inzwischen stellt sie in ihrer Abteilung ganz bewusst jedes Jahr mindestens eine Teilzeit-Auszubildene ein – auch „weil wir als öffentlich-rechtliches Unternehmen unsere soziale Verantwortung wahrnehmen möchten.“ Doch sei die Arbeitsbelastung auch in einer Teilzeit-Ausbildung nicht zu unterschätzen, betont Meinzer-Kahrweg: „Die Frauen brauchen großes Durchhaltevermögen, weil sie vielen Anforderungen gleichzeitig gerecht werden müssen. Und oft fehlt ja auch der Halt durch einen Partner.“

Eine, die schon einen großen Schritt in Richtung berufliche Eigenständigkeit geschafft hat, ist Elena Ladner. Die 25-jährige Mutter von zwei Kindern absolviert zurzeit eine Teilzeit-Ausbildung als Kauffrau für Bürokommunikation bei der Jugendhilfe Essen. „Meine Familie ist mir sehr wichtig. Aber irgendwann hatte ich die Nase voll davon, mich den ganzen Tag nur über Kinder zu unterhalten“, gibt sie zu. „Eine berufliche Herausforderung hat mir gefehlt.“

Das war nicht immer so. Zum Ende ihrer Schulzeit am Robert-Schmidt-Berufskolleg hatte sie eine schwierige Phase. „Mir fehlte einfach noch die nötige Reife und ich wusste noch nicht so recht, wo ich im Leben eigentlich hinwollte“, sagt sie rückblickend über diese Zeit. Den Abschluss des Fachabiturs machte sie damals nicht, sie heiratete ihren Partner, wurde schwanger. Die Familienplanung hatte erst einmal Vorrang. „Das war keine bewusste Entscheidung, sondern hatte sich einfach so ergeben“, erzählt sie. „Heute bereue ich, den Abschluss nicht gemacht zu haben.“

Die Jugendhilfe Essen vermittelte ihr zunächst einen Kontakt zu einem Seniorenheim in Steele, wo sie aushilfsweise jobbte. „Ich habe die Arbeit wirklich gern gemacht, aber es fiel mir schwer, bestimmte Dinge emotional zu verarbeiten.“ Dazu gehörte etwa, tagtäglich zu erleben, dass alte Menschen manchmal einfach starben. „Das mag komisch klingen, aber das war für mich eine große seelische Belastung. Aus diesem Grund musste ich mir eine Alternative suchen,“ so Ladner.

Die Jugendhilfe Essen hatte gerade das sogenannte TEP-Projekt ins Leben gerufen – die Abkürzung steht für „Teilzeitausbildung, Einstieg begleiten, Perspektiven eröffnen.“ Ein Angebot, das wie gemacht schien für Elena Ladner. Das erste Ausbildungsjahr hat sie bereits erfolgreich bewältigt, zwei weitere folgen noch. Ihre Familie hatte ihre Pläne gleich positiv aufgenommen: “In meiner Familie sind alle Frauen berufstätig. Auch jetzt erhalte ich von meiner Mutter und meiner Tante viel Unterstützung, um alles unter einen Hut zu bekommen.“

Mit Tochter „eingeschult“

Und ihre Kinder? Sohn Dennis, fünf Jahre alt, und Tochter Julia, sieben, mussten sich erst an den Gedanken gewöhnen, „dass die Mama jetzt auch wieder zur Schule geht“, erzählt Ladner lachend. „Es war schon eine lustige Situation, als ich quasi mit meiner Tochter gemeinsam eingeschult wurde.“

Inzwischen sei die aber stolz auf ihre Mama – und das sei auch für sie der größte Antrieb, die Doppelbelastung einer Teilzeit-Ausbildung mit 25 noch einmal auf sich zu nehmen. „Ich möchte meinen Kindern ein Vorbild sein.“