Ob freudetrunkene Fußballfans und nächtens hupende Autokorsos in Essen wirklich jeden beglückt haben – das darf man dann doch bezweifeln. Die Demonstrationen jedoch, zu denen es jetzt vornehmlich junge Leute auf die Straße treibt, sind von einem anderen Kaliber.

Denn jetzt geht es um den Nahost-Konflikt. Um ermordete Kinder und die Bomben auf Gaza, um die Endlosspirale der Gewalt ein paar Flugstunden entfernt und wie man hierzulande Stimmung dagegen macht. Und da-mit.

Groß ist die Sorge, bei einer für Freitagnachmittag angemeldeten Demo auf dem Weberplatz könnte der Plan, „ein Zeichen gegen Gewalt, Krieg und Hass zu setzen“, im Furor eines Mobs enden, bei dem sich ein absurdes Zufallsbündnis mit gewalttätigem Potenzial zusammenfindet: eine aufgeheizte Menge aus israel-kritischen Linken, nicht nur unterschwellig aggressiven jungen Libanesen und unverbesserlichen Neonazis. Eine Melange, bei der sich nicht mehr unterscheiden lässt, wer denn nun in welches Lager gehört, wer hier Reden favorisiert – und wer Randale.

Rund 500 Teilnehmer wurden bei der Polizei angemeldet, bis zu 1.000 werden erwartet, und dass da nicht durchgehend Linkspartei-Fans am Start sind, legt schon die Begeisterung nahe, mit der einige antisemitische Kommentatoren den Demo-Aufruf der Linksjugend-Truppe „solid’“ in sozialen Netzwerken versahen.

Für die „Antifa Essen Z“ Zeichen dafür, „dass der Linksjugend die Kontrolle über ihre eigene Veranstaltung längst entglitten ist.“ Darum forderte man jene, mit denen man sonst gern Seite an Seite gegen alte und neue Nazis demonstriert, auf, die Kundgebung in der Innenstadt abzusagen.

Doch die Linken denken nicht daran und verweisen darauf, dass sie sich zügig – für manche Beobachter gleichwohl etwas zu behäbig – von den unliebsamen Beifallsbekundungen distanziert haben: „Wenn wir denn einen strategischen Fehler gemacht haben, dann den, dass wir die Veranstaltung am Abend bei Facebook veröffentlicht haben“, sagt Daniel Kerekes, Sprecher der Linksjugend in Nordrhein-Westfalen und Mitarbeiter im Büro des Linken Bundestagesabgeordneten Niema Movassat: Dies ließ unkontrollierten Raum für anonyme Kommentare, bei denen sogar Hitler-Bilder eingespeist wurden.

Bilder wie auch Kommentare wurden längst entfernt, die entsprechenden Internet-Nutzer für die Kommentarfunktion geblockt und eine Erklärung veröffentlicht. Darin distanziert sich die Linksjugend von den „Trittbrettfahrern“, wie man sie nennt. „Antisemitische, rassistische und antimuslimische Statements auf der Kundgebung werden nicht geduldet“, heißt es zudem, „und die entsprechenden Personen umgehend von der Versammlung ausgeschlossen“.

Wer die Deutungshoheit über zulässige oder abzulehnende Demosprüche hat, bleibt offen. Immerhin: Man habe sich mit einem Sicherheitsdienst kurzgeschlossen, sagt Kerekes, „es sind genügend Ordner vor Ort“.

Und wohl auch genügend Polizei. Die ist gewarnt nach den Spontandemos aufgebrachter junger Libanesen in den letzten Tagen, die sie etwa am Donnerstag in Essen nur deshalb nicht stoppte, weil zu wenig Kräfte vor Ort waren. Dies empfiehlt sich schon deshalb zu korrigieren, weil am Freitag auch eine Gegendemo angemeldet ist: Rund 50 Leute, so der Veranstalter, wollen an der Ecke Lindenallee/Kettwiger Straße „gegen Antizionismus und Terror“ demonstrieren.

Kooperationsgespräche mit beiden Veranstaltern stehen noch aus. Man sei, so sagte gestern Polizeisprecher Peter Elke auf NRZ-Nachfrage, gewappnet, um flexibel reagieren zu können.

Zwar ist die deutlich größere Veranstaltung am Weberplatz als rein stationäre Kundgebung geplant – mit etwas Live-Musik womöglich und diversen Redebeiträgen aus dem linken Spektrum. Aber niemand weiß vorherzusagen, ob sich nicht in der aufziehenden Dämmerung kleinere oder größere Gruppen auf dem Weg durch die Stadt oder in Richtung Alte Synagoge aufmachen.

Dies zumal der Weberplatz eine Art Zentrum der libanesischen Community in Essen ist. Eher ein Zufall: Die Linken wollten an prominenterer Stelle der City demonstrieren, doch sowohl Willy-Brandt- als auch Kennedyplatz waren bereits mit Veranstaltungen belegt. „Dass wir auf den Weberplatz gehen“, so Kerekes, „war die Idee der Polizei.“