Essen. . 360 Jahre lang wurden an der BMV-Schule in Holsterhausen ausschließlich Mädchen unterrichtet. Seit vergangenem Sommer sitzen nun auch Jungen auf der Klassenbank. Kritiker fürchteten um die gute Atmosphäre im Unterricht. Doch Schulleiterin Ulrike Michalski zieht eine positive Bilanz.

Sie hatten hausintern damit gerechnet, dass sich vielleicht 20 Jungen anmelden werden für den ersten Jahrgang. Und dass sie rund 15 Jahre brauchen werden für den Übergang von einer Ordensschule, die seit mehr als 360 Jahren ausschließlich Mädchen unterrichtet hat, hin zu einer Schule für Mädchen und für Jungen.

Jetzt, nach dem ersten Schuljahr in so genannter „Koedukation“, also dem Unterricht für Jungen und Mädchen, stellen sie fest: „Jungen sind schon Alltag geworden.“ Das sagen die Leiterin der BMV-Schule, Schwester Ulrike Michalski, und Vize Markus Nesemann.

Es gab viele Bedenken

Die Überraschung war groß, es gab viele Bedenken, vor allem von Schülerinnen und Ehemaligen, als bekannt wurde, dass vom Schuljahr 2013/14 an auch Jungen in Holsterhausen unterrichtet werden. Man fürchtete: die Atmosphäre würde sich verändern – zum Nachteil. Die Zahlen ließen alle Kritiker schnell verstummen: Für das ausgelaufene Schuljahr wurden 57 Jungen angemeldet, der fünfte Jahrgang hatte zwei reine Mädchen- und vier gemischte Klassen. Fürs kommende Schuljahr sind 70 Jungen angemeldet worden, es wird nur noch eine reine Mädchenklasse geben. „Der Wunsch der Eltern von Töchtern, ihre Mädchen sollen eine reine Mädchenklasse besuchen, nimmt rapide ab“, hat Schwester Ulrike beobachtet.

Der Anfang, bekennt die Schulleitung, sei „anstrengend“ gewesen: Für die Lehrer war es ungewohnt, plötzlich gemischte Klassen zu unterrichten. „Man benötigt mehr Präsenz, einige Jungen werden schneller unruhig als die meisten Mädchen“, sagen die Pädagogen. Schwester Ulrike spricht von einem „Kraft-Überschuss“ bei Jungen, der schneller spürbar werde. Andererseits: Ein Unterschied im Lern-Niveau sei überhaupt nicht festzustellen. „Das Geschlecht ist ein vollkommen nachrangiger Faktor, was Lernerfolge angeht“, hat die Schulleiterin festgestellt.

Fehlende männliche Vorbilder

Anfangs gab es auch Kritik, ältere Schülerinnen würden die neuen Jungs kritisch beäugen – und fehlende männliche Vorbilder aus älteren Jahrgängen gibt es für die Jungen nicht. Doch diese Töne gehören mittlerweile der Vergangenheit an. „Die Jungen“, sagen Michalski und Nesemann, „sind vollkommen zum Alltag geworden.“

Es kommen übrigens nicht nur Jungen, die einen besonders behüteten Eindruck machen, die Geige spielen und sich problemlos einfügen in die Gepflogenheiten einer alten Mädchenschule. Schwester Ulrike: „Wir haben hier alle Sorten von Kindern und Familien, das ist nicht anders als bei den Mädchen.“