Essen. Webcams liefern Stadtansicht, Wetter- und Verkehrsbericht. Die Stadt Essen aber nutzt das Werbe-Instrument noch zögerlich.  Neuerdings zeigt eine  Kamera ein hübsches Panorama mit der Essener Skyline. Praktisch ist die Webcam auch noch: Autofahrer sehen, ob Stau auf der A 40 ist.

Andere Städte machen es schon länger: Zeigen ihre Schokoladenseiten weltweit rund um die Uhr per Webcam im Internet. Die Uni-Stadt Münster ermöglicht den steten Blick auf den bekannten Prinzipalmarkt, das kleine Ratingen präsentiert seinen Marktplatz. Die Stadt Essen hat den touristischen Nutzen der Webcams dagegen noch nicht für sich entdeckt.

„Wir haben vor einigen Jahren Webcams zur Überwachung auf zwei Friedhöfen genutzt, nachdem dort wiederholt Metalldiebe zugeschlagen hatten“, so Stefan Schulze vom Essener Presseamt. Doch Datenschützer hätten das als unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre angeprangert, die Kameras wurden abmontiert. Einen Anlauf, mit ihnen Essens Schönheiten zu übertragen, habe es nie gegeben. „So lange es datenschutzrechtliche Fragen gibt, tut sich das keiner an.“

Viele Menschen denken gleich an Big Brother

Ähnlich vorsichtig ist auch die Essen Marketing GmbH (EMG), die immerhin eine Webcam besitzt. „Wir haben vor Jahren mal in Erinnerung ans wachsame Hähnchen ein paar Monate einen Hahn filmisch begleitet“, sagt EMG-Geschäftsführer Dieter Groppe. Vom Ei bis zum ausgewachsenen Hahn, selbst das Schlüpfen wurde ins World Wide Web übertragen – Tiere nehmen es nicht so genau mit den Persönlichkeitsrechten. Da die Kamera nunmal da war, installierte man sie anschließend bei Essen Original, so dass man von überall verfolgen konnte, was bei dem Festival auf und vor der Bühne los war.

Mit einer stationären Kamera etwa an Burgplatz oder Baldeneysee tut sich Groppe schwer: „Da denken gleich viele Menschen an Big Brother.“ Als die EMG in diesem Jahr Bilder von „Essen verwöhnt“ ins Netz stellte, war das einerseits ein toller Service: „Jeder konnte zu Hause sehen, ob Plätze frei sind oder sich am Stand eines Restaurants Schlangen bilden.“ Andererseits konnte man auch Gesichter erkennen, und darum mussten auf der Gourmet-Meile Warnhinweise angebracht werden: „Dieser Bereich wird videoüberwacht.“

Werbe-Effekt, Stauschau und „Schaufenster“ für 798 Euro

Eine Stadttochter hat nun einen eleganten Umgang mit dem Datenschutz gefunden – und liefert ein Stadtpanorama mit Landmarken wie dem RWE-Turm und mit der Schlagader des Reviers, der A 40. Die Grundstücksverwaltung Essen (GVE) sitzt im neben der Autobahn gelegenen Etec-Gebäude und hat jetzt in 25 Meter Höhe auf dem Dach eine Webcam installiert.

„Wir wollen auswärtigen Besuchern zeigen, wie das Wetter in Essen ist und ob Stau auf der A 40 ist; nebenbei liefern wir eine einmalige Stadtansicht“, sagt Markus Kunze, Leiter der Projektentwicklung der GVE. Damit Autokennzeichen nicht lesbar sind, wird das Kamerabild von 5 Megapixeln auf gut 1 Megapixel runtergerechnet; alle fünf Minuten wird ein neues Bild hochgeladen (www.etec.de/etec-webcam). Nur 798 Euro hat die Kamera gekostet, dafür bekomme man noch einen Werbe-Effekt für die im Etec-Bau ansässigen Firmen: „70.000 Menschen fahren täglich vorbei und wissen nicht, wer hier sitzt.“ Der Bekanntheitsgrad werde sich deutlich erhöhen, sollte die Webcam mit Wetterseiten wie wetter.online oder wetter.com verlinkt werden.

9000 Nutzer schauten Ozzy via Stadion-Webcam zu

Kameras in großer Höhe oder am Ufer

Über Wetterseiten im Internet lassen sich auch in Essen noch einzelne Webcams finden, die von Unternehmen Vereinen oder auch von Privatleuten betrieben werden.

Da gibt es zum Beispiel auf 60 Metern Höhe auf dem Ruhrturm in Huttrop eine Kamera sowie eine, mit der die Seglerkameradschaft Scheppen e.V. eine Ansicht des Baldeneysees zeigt.

Auf diesen Wetterseiten finden sich auch Webcams, die nicht von der Stadt betrieben werden: Wie jene, die die Fortschritte im neuen Universitätsviertel dokumentiert. Mit einer solchen Bau-Begleit-Kamera sammelte auch die GVE erste Erfahrungen: beim Neubau des Stadions. Profitiert habe von der Webcam, die nun die WAZ-Westkurve und zurzeit die Bühnen davor zeigt, auch die Stadion-Website, die ihre Besucherzahl seit 2010 mehr als verdoppelt hat. Statt Baustellen-Bildern sieht man hier neuerdings Konzerte: Allein 9000 Besucher schalteten sich beim Black Sabbath-Auftritt zu.