Essen. Ein Facebook-Video zeigt, wie Essener Polizisten vor der Disco „Musikpalette“ mehrmals auf einen mutmaßlichen Randalierer einschlagen. Die Beamten wurden angezeigt und werden vernommen. Bei dem Einsatz sollen Beamte beleidigt und heftig attackiert worden sein.
Ende Juni erst beschäftigte sich der Innenausschuss des Landtages mit Misshandlungsvorwürfen gegen Essener Polizeibeamte: Zwei Libanesen, Vater und Sohn, werfen ihnen unter anderem vor, sie im Oktober 2011 geschlagen und getreten zu haben. Damals mussten die Polizisten einen Streit in der Großfamilie schlichten. Das Präsidium, so berichtete Innenminister Ralf Jäger dem Ausschuss, leitete „gegen einen Beamten disziplinarrechtliche Maßnahmen“ ein. Die Staatsanwaltschaft prüfe zurzeit, ob sie ermitteln muss. Nach einem Einsatz vor der Diskothek „Musikpalette“ am frühen Sonntagmorgen (6. Juli) wird derweil erneut mehreren Essener Polizisten unverhältnismäßige Gewalt im Einsatz vorgeworfen.
Brisanz erhält der aktuelle Fall durch ein Video des Einsatzes, das ein Augenzeuge mit seinem Handy filmte. Mit der Beschreibung „Berlin und jetzt auch Essen: brutale Polizeigewalt! Unfassbar!!“ teilten den verwackelten Clip fast 3700 Facebook-Nutzer, er muss mehrere hunderttausend Mal angeklickt worden sein. Am Ende der zweieinhalb Minuten ist zu sehen, wie mindestens zwei Polizisten mehrmals auf einen Festgenommenen einschlagen – auch dann noch, als dieser eine Abwehrhaltung eingenommen hat. Der anscheinend betrunkene Mann hatte zuvor versucht, sich loszureißen oder zuzuschlagen. Ein Beobachter schreit: „Ey! Warum hauen die den?“ Womit die Polizisten in diesem Moment zuschlagen, ist auf den hochformatigen, aus etwa zehn Metern Entfernung aufgenommenen Bildern nicht genau zu erkennen.
Hektischer Einsatz in der Seitenstraße
Nach dem hektischen Einsatz in der Seitenstraße der Kettwiger werfen die Polizisten den Männern Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor. Aber auch gegen die mutmaßlich attackierten Beamten liegen mehrere Anzeigen vor. Zur Ecke Schwarze Meer/II. Dellbrügge waren gegen 5.40 Uhr Kräfte der Innenstadtwache geeilt. Ein Polizeisprecher bestätigt die „Anzeigen gegen Kollegen“ und interne Ermittlungen: „Die Beteiligten werden dazu befragt, auch die Kollegen.“ Zu den Gewaltvorwürfen und zum Video will sich der Sprecher nicht äußern, „weil das Video nur einen Ausschnitt des Einsatzes zeigt und noch nicht alle Aussagen aufgenommen sind“.
Die Pressestelle der Polizei berichtete gleichwohl über den Einsatz:
Polizisten wurden attackiert und setzten auch Pfefferspray ein
Die Pressestelle der Polizei berichtete gleichwohl über den Einsatz. Zwei Polizisten und „mindestens ein Beschuldigter“ seien verletzt worden, so die Meldung vom Mittwoch. Die Beamten wollten demnach mit Platzverweisen eine Schlägerei zwischen Männern verhindern, die sich vor der „Musikpalette“ aggressiv beschimpften. Einige der Streithähne sollen die Platzverweise missachtet und ihre Kontrahenten sowie die Beamten weiter provoziert haben. Was dann passierte, schildert die Polizeipressestelle so: Ein Polizist sei „von einem der Männer (28) bespuckt“ worden. Als dann auch noch „ein 23-Jähriger die Polizisten beschimpfte und sich ihren Anweisungen permanent widersetzte, sollte er zwecks Personalienfeststellung mit zur Citywache genommen werden. Hierbei leistete der stark alkoholisierte Mann Widerstand und musste mit körperlicher Gewalt fixiert werden.“
Polizeibericht: Randalierer schlugen und traten nach Polizisten
Auf dem Handyvideo ist auch zu sehen, wie Polizisten einen Mann zu Boden bringen und wie ein Uniformierter auf dessen Rücken sitzt.
Die Polizei geht in ihrer Darstellung auch kurz auf zwei weitere Widerstandshandlungen ein, es sind wohl die kritischen Momente am Ende des Videos: Ein ebenfalls 23-Jähriger – auch er habe reichlich Alkohol getrunken – soll einen Polizisten zur Seite gestoßen und beschimpft, sich gegen die Festnahme „heftig“ gewehrt haben. Ein 25-Jähriger, so der Polizeibericht, „schlug und trat nach ihnen [Polizisten, d. Red.], um eine Mitnahme seines Freundes zu verhindern“. Die „Ausschreitungen“ hätten „lediglich durch den Einsatz mehrerer hinzu gerufener Streifenwagenbesatzungen beendet werden“ können.
In ihrer Pressemitteilung beschreibt die Polizei auch den Einsatz von Waffen und Hilfsmitteln körperlicher Gewalt: „Zur Überwindung der erheblichen Widerstandshandlungen wurde seitens der Polizei auch Pfefferspray eingesetzt.“ Zudem sei ein weiterer Mann, der den Einsatz gestört habe, „mit einer Handfessel ruhig gestellt“ worden.
Vor allem aber werden zunächst Polizisten prüfen müssen, ob all die gefilmten Schläge ihrer Kollegen nach den Maßstäben im Polizeigesetz NRW eine verhältnismäßige Reaktion zur Gefahrenabwehr beziehungsweise Strafverfolgung waren – und vielleicht auch, welche Kollegen überhaupt zugeschlagen haben. Das Video könnte bei der Beantwortung dieser Fragen eine Hilfe sein.