Essen. . Die Stadt weist entrüstet den Vorwurf zurück, sie würde mit „maßlosen“ Forderungen aus den Sturmschäden Kapital schlagen wollen. Für jeden der 20.000 Bäume 2.000 Euro zu veranschlagen, sei absolut realistisch.

Eine solche Behauptung bringt nicht nur Essens Baumexperten auf die Palme: Wie andere vom Sturm betroffene Städte wolle auch Essen mit überhöhten Schadens-Kalkulationen doch nur Kasse machen – diesen Vorwurf hatte am Wochenende der grüne Fraktionschef im Landtag Reiner Priggen erhoben. Und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Denn die gefallenen Riesen in Parks und am Straßenrand mit Setzlingen für eine Handvoll Euro zu ersetzen – das sei, so rechnete die Stadt gestern kopfschüttelnd vor, eine abenteuerliche Rechnung. Setzlinge könne man vielleicht im Wald anpflanzen, doch um halbwegs robusten Ersatz für die Sturmschäden am Straßenrand und in Parkanlagen zu schaffen, müssen rund zehn Jahre alte, „qualifiziert vorgefertigte“ Bäume sein – und deren Kosten werden im Schnitt mit 700 Euro veranschlagt.

Beinahe die doppelte Summe fällt noch einmal für die Vorarbeiten an, denn die „angeschlagenen“ Bäume müssen sicher beschnitten, anschließend begutachtet, am Ende womöglich doch gefällt und der Baumschnitt fachgerecht entsorgt werden. Und das vieltausendfach.

Denn mit jedem Tag verdichtet sich für „Grün und Gruga“ die erste vage Schätzung nach dem Pfingstunwetter, dass von den rund 200.000 Bäumen am Straßenrand und in Parks etwa jeder zehnte in Mitleidenschaft gezogen wurde. Es ist der Zeitpunkt, der das Orkantief „Ela“ so verheerend wüten ließ, der vier Mal so viele Bäume kostete wie der Wintersturm „Kyrill“. Denn während „Kyrill“ die laublosen Bäume im nassen Boden vielfach mitsamt dem Wurzelteller umkippte, traf „Ela“ sie im vollen Sommerlaub. Die Fachleute verzeichnen deshalb viel mehr Schäden im Kronenbereich – fürs bloße Auge oft noch nicht einmal sichtbar. Gut möglich, dass erst mit der Zeit absterbende Äste erkennbar sind – und am Ende doch so mancher Baum fallen muss, der heute noch vermeintlich „gerettet“ scheint.

Nicht zuletzt sind in den 2.000 Euro pro Baum auch die Pflegekosten für die neuen Bäume enthalten – und dazu die an diversen Standorten erforderliche Neufassung der Baumbeete, die der Orkan samt und sonders mit herausgerupft hat. Die Kalkulation also „nicht anständig“, wie Priggen von den Grünen meint? Im Rathaus hielt man sich gestern mit Kommentaren zurück, aber mancher mochte sich die Spitze nicht verkneifen, dass wohl Priggen selbst in seiner Kritik maßlos gewesen sei. Selbst die hiesigen Grünen schienen nicht glücklich mit dem Vorpreschen ihres Frontmanns in Düsseldorf.

Unterdessen versichert die Stadt, dass man auch bei der Gesamtschadenssumme voraussichtlich richtig gelegen habe: Sie wird mit rund 63,3 Millionen Euro angegeben, eine Summe, in der neben den Grün-Kosten auch die Schäden an Schulen und Kindertagesstätten, Spielplätzen und Turnhallen sowie Signalanlagen und bei der Evag einkalkuliert sind.

In den nächsten Wochen werden Einsatzkräfte der Feuerwehr, von Grün und Gruga und privaten Firmen Sicherungsarbeiten an Baumkronen durchführen. Wo die Bürger sich auf kurzfristige Straßensperrungen und Parkverbote einstellen muss, will die Stadt heute erläutern.