Essen. . Die Friesenstube in Frohnhausen war einst das Stammlokal vom „Boss“. Am Samstag fieberten mehr als fünfzig Leute mit der aktuellen Nationalmannschaft. Die Stimmung in der kleinen Kneipe war fanstastisch, auch wenn nach dem 2:2 gegen Ghana die große Party ausblieb.

„Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen.“ 73 Minuten sind im Spiel zwischen Deutschland und Ghana am Samstagabend vergangen, als in der Friesenstube in Frohnhausen dieser Satz zu hören ist. Wahrscheinlich fällt er irgendwann bei jedem Fußballspiel, das hier auf den großen Fernsehern übertragen wird. Denn die gepflegte kleine Kneipe an der Frohnhauser Straße war früher das Stammlokal vom „Boss“. Und der Satz kommt natürlich aus der Ecke, in der die älteren Stammgäste auf ihren Hockern sitzen. Viele der alten Garde kannten Rahn noch persönlich. Ein Fußballabend an dem Ort, an dem der Held von Bern früher sein Bierchen getrunken hat.

Neunzig Minuten vor dem Anpfiff des zweiten Gruppenspieles der deutschen Mannschaft bei der Weltmeisterschaft in Brasilien ist die Friesenstube schon gut gefüllt. Trotzdem findet Wirt Michael Klaus noch Zeit für ein kurzes Gespräch. Er hat den Laden im Mai vom langjährigen Besitzer Dieter Ellers übernommen – zusammen mit seiner Frau Michaela, die hier schon seit zehn Jahren hinter der Theke steht. Die Gastronomie kannte Klaus bis vor ein paar Monaten nur als Gast. „Ich bin gelernter Schreiner“, sagt er. Doch den neuen Job muss er wohl ganz gut machen. „Das passt schon“, sagt Raimund Engelskirchen.

Sogar Touristen kommen in die Friesenstube

Er ist einer der langjährigen Stammgäste, die schon mit Helmut Rahn am Tresen standen. Ein „netter und bodenständiger Typ“ sei die Essener Fußballlegende gewesen. „So wie man sich einen aus dem Kohlenpott vorstellt“, sagt Engelskirchen. In der Friesenstube gibt es eine ganze Ecke, die dem Boss huldigt. Dort hängen Bilder an der Wand und stehen Pokal auf einem Regal. Es kommen sogar regelmäßig Touristen wegen ihm hierhin. Am Samstag ist die Ecke aber halb verdeckt von Deutschlandfahnen, es steht nun eben die aktuelle Generation im Vordergrund. Aber der Geist von Rahn schaut mit.

Vor dem Anpfiff sind die Gäste sehr optimistisch, beim Tippspiel setzt nur einer auf eine Niederlage Deutschlands, viele erwarten einen deutlichen Sieg; an einem der Stehtische wird bereits über die möglichen Gegner im Achtel- und Viertelfinale diskutiert.

Ernüchterung, als Ghana doppelt einnetzt

Mit dem Anpfiff steigt parallel die Anspannung. Einige halten es nicht aus und gehen kurz zum Rauchen vor die Tür – dabei ist die erste Halbzeit ja noch nervenschonend, verglichen mit dem Schlagabtausch, den sich die Teams in der zweiten Hälfte liefern werden. Als es für Jogis Jungs nicht so richtig laufen will, macht sich erste Skepsis breit. „Damit kommse nicht durch, wenne den Ball nur hin und her spielst“, sagt ein Fachmann. „Schieß do’ mal“, wird gerufen. „Jetzt hau dat Ding rein.“

Halbzeitpfiff. Verschnaufpause. „Die müssen jetzt endlich mal ein Tor schießen“, fordert Kerstin Lindemann, Stammgast in der Stube aus Frohnhausen. Mario Götze tut ihr kurz nach Wiederanpfiff den Gefallen. Riesenjubel jetzt, Freudengesänge – „oh, wie ist das schön“. Kurz darauf: Ernüchterung, als Ghana doppelt einnetzt. Jemand ruft: „Ich hab’ et gewusst.“ Entsetzte und verzweifelte Gesichter wechseln sich ab. „Dat darf nich’ wahr sein“, ist der Tenor. Neue Hoffnung macht die Einwechslung von Schweinsteiger und Klose. Als der trifft, ist die Freude wieder groß. Nur die Party nach dem 2:2 bleibt aus. Aber die Weltmeisterschaft ist ja noch lang.