Essen. Mehr denn je droht im gesamten Essener Stadtgebiet Gefahr von oben, die nicht immer ernst genommen wird. Experten mahnen, Sicherheitsvorschriften einzuhalten und gesperrte Gebiete keinesfalls zu betreten.
Anderthalb Wochen nachdem Orkan Ela große Teile des Stadtgebiets verwüstet hat, prägen noch immer vielerorts Baumtorsi und abgeknicktes Geäst das Straßenbild. Nichts ist mehr wie es war.
Die traurige Bilanz nach neun Tagen: Gut 20.000 Bäume sind stark geschädigt, 6.000 davon sind bereits gefällt. Vor dem Sturm gab es insgesamt rund 260.000 Bäume an Straßen und in Parkanlagen, die in öffentlicher Hand sind, von denen Essen voraussichtlich satte zehn Prozent verlieren wird. Bäume, die sich in privatem Besitz befinden, sind hierbei nicht eingerechnet. Was das für Essens Bewerbung als Grüne Hauptstadt Europas bedeuten wird, mag „Grün und Gruga“-Sprecher Eckhard Spengler nicht abschätzen: „Für Bewertungen ist es noch zu früh; dafür sind wir momentan zu sehr mit der reinen Schadensbegrenzung beschäftigt.“ Sicherlich werde man aber in Kopenhagen Fragen beantworten müssen, wie Essen mit den Sturmschäden umgeht.
Rund 3320 Einsätze ist die Feuerwehr bereits gefahren
Rund 3320 Einsätze ist die Feuerwehr bereits gefahren und ein Ende ist nicht in Sicht. „Die Arbeiten können sich noch Wochen hinziehen“, sagt Ulrich Bogdahn, Amtsleiter für den Bereich Branddirektion bei der Feuerwehr Essen. „Wir können jede helfende Hand gebrauchen.“ Die Arbeiten werden noch einige Wochen in Anspruch nehmen.
Bernd Schmidt-Knop, zweiter Betriebsleiter bei Grün und Gruga, mahnt die Bürger weiter zur Vorsicht; viele seien sich der tatsächlichen Gefahrenlage nicht bewusst: „Leider sehen wir trotz aller Warnungen in diesen Tagen Menschen durch die Wälder joggen oder Grillplätze aufschlagen. Ganz zu schweigen von baumbestandenen Spielplätzen, die wir noch nicht gesichtet haben – das ist sehr leichtsinnig.“ Von einem Normalzustand sei die Stadt noch weit entfernt.
Zum Vergleich: In seiner Wucht übertraf der Sturm mit Geschwindigkeiten von 140 Stundenkilometern den Sturm Kyrill im Jahr 2007 um ein Vierfaches – so sei es nur ein glücklicher Umstand gewesen, dass nicht noch mehr Menschen zu Schaden gekommen sind, so Schmidt-Knop. Freiwillige und Berufsfeuerwehr, das Technische Hilfswerk (THW) und andere Hilfskräfte sind derweil weiter im Dauereinsatz, um die Situation zu entschärfen.
Experten mahnen, die Situation nicht zu unterschätzen
Einer von ihnen ist Feuerwehrmann Rolf Brochhagen-Hecke, Gruppenführer der Löschgruppe Byfang. In der Sturmnacht hat er 19 Stunden durchgearbeitet und auch in den folgenden Tagen kaum Zeit zum Verschnaufen gehabt. „Wenn es sein muss, wächst man über seine Kräfte hinaus. Allerdings bekommen wir auch viel Dankbarkeit von den Menschen zurück – seien es ein paar herzliche Worte oder eine Kanne heißer Kaffee. Es packt wirklich jeder mit an.“
Doch auch, wenn augenscheinlich keine akute Gefahr mehr droht, solle man die Situation nicht unterschätzen, mahnen Experten. Thomas Hübscher, Forstingenieur bei Grün und Gruga, erklärt dies so: „Anders als bei Kyrill ist jetzt Sommer – und das hat gravierende Auswirkungen auf die Entwicklung der angeschlagenen Bäume. Durch die Temperaturunterschiede von Tag und Nacht arbeitet das Holz und die Fasern werden trocknen und morsch. Dann rutschen angebrochene Äste leicht aus den Astgabeln und können plötzlich herunterkrachen.“
„Sicherheit ist oberstes Gebot“
Auch am Feiertag gehen die Arbeiten weiter und die Einsatzkräfte sind mit Hubsteigern des städtischen Tiefbauamtes, Fällbaggern, Arbeitsbühnen, Kettensägen und anderem schweren Gerät unterwegs, um Essen in kleinen Schritten wieder sicherer zu machen – eine Sisyphos-Aufgabe. Die Stadt bittet derweil um Verständnis, dass der Feiertag wohl nicht frei von Kettensägen-Geräuschen verlaufen wird. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Gefahren einzudämmen und halten die Menschen über Fortschritte ständig auf dem Laufenden“, versichert Stadtsprecherin Nicole Mause. Nach und nach will die Stadt die betroffenen Gebiete freigeben, sobald diese wieder begehbar sind. Dies gilt auch für die Radwege, die durch Grünanlagen führen, von denen zurzeit viele gesperrt sind. Auf www.essen.de wird täglich eine Liste mit den Radwegen veröffentlicht, die wieder benutzbar sind. Wer eine Fällgenehmigung für einen einsturzgefährdeten Baum benötige, würde diese auch schnell und unbürokratisch erhalten.
Wer sich engagieren möchte, hat dazu ausreichend Gelegenheit: „Alles, was auf dem Boden liegt, kann aufgeräumt werden“, fasst Bogdahn zusammen, nur habe die Sicherheit immer Priorität. So sollten die Bürgerinnen und Bürger niemals unter Bäumen arbeiten oder ihr Auto dort parken – die Feuerwehren haben in den vergangenen Tagen zahllose Wagen, die unter einem umgestürzten Baum begraben waren, freigeschnitten. Ebenfalls wichtig: Eine solide Schutzausrüstung, um Arbeitsverletzungen zu vermeiden. Gerade zur Kettensäge sollten Helfer nur mit ausreichend Erfahrung greifen und beim Fällen eines Baumes ausreichend Sicherheitsabstand einhalten.