Essen. . Stadt warnt vor der Gefahr herabstürzender Äste. Sturm hinterließ Schaden in dreistelliger Millionenhöhe.OB Paß erwartet Unterstützung vom Land. Die Bundeswehr hat abgesagt
Um 21.12 Uhr am Pfingstmontag fiel der erste Baum auf die Laupendahler Landstraße, tausende weitere stadtweit folgten im Sekundentakt, als das Tief „Ela“ über Essen hinwegfegte und in den Siedlungen, entlang der 1400 Kilometer Straßen, in den Wäldern eine breite Schneise der Verwüstung hinterließ. Der optische Schmerz wirkt hie und da deutlich nach, auch wenn sich die Lage dank einiger hundert helfender Hände binnen einer Woche deutlich entspannt hat.
Doch trotz aller Anstrengungen bis an die Grenze der Belastbarkeit, sollte sich niemand einer Illusion hingeben: Über den Berg ist die Stadt noch lange nicht. Es werden Monate der Aufräumarbeiten und Jahre der Wiederaufforstung ins Land ziehen, bis die Narben der Natur auch nur halbwegs verheilt sind.
Vier mal schlimmer als Kyrill
3300 Einsätze haben die Feuerwehr und die Hilfsorganisationen mittlerweile abgewickelt. Das sind mindestens vier Mal so viele wie nach dem Sturm „Kyrill“. Dennoch ist der Schaden nicht beseitigt. Er ist zu gewaltig, zu unüberschaubar, um ihn zuverlässig schätzen zu können: Von einem dreistelligen Millionenbetrag geht Reinhard Paß inzwischen aus. Der Oberbürgermeister zog gestern zusammen mit Vertretern des städtischen Krisenstabs eine erste offizielle Bilanz eines Katastrophen-Abends, der selbst einen gestandenen Feuerwehrchef wie Ulrich Bogdahn nach 35 Jahren Berufserfahrung sagen lässt: „Das habe ich noch nicht erlebt.“
Bei dieser gewaltigen Summe ist für Paß klar: Ohne finanzielle Hilfe vom Land kommt Essen nicht klar. Er stehe bereits in Kontakt mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: „Wir brauchen die Unterstützung“, sagte Paß. Auf die des Bundes wird Essen allerdings verzichten müssen: Die 50 von der Stadt in der vergangenen Woche angeforderten Bundeswehrsoldaten werden nicht beim Aufräumen helfen. Die Absage kam am gestrigen Nachmittag. Eine offizielle Begründung lieferte das Ministerium nicht mit. Womöglich kam man zu der Einschätzung, dass hunderte Helfer aus dem ganzen Land und Mitarbeiter aus 85 angeheuerten Fremdfirmen es bis jetzt in Zusammenarbeit mit Feuerwehr und Hilfsorganisationen hinlänglich hinbekamen, zumindest die akuten Gefahren abzuwehren. Zum Aufräumen allein, nein, dafür ist die Bundeswehr doch nicht da, oder?
Dabei sollte man sich nicht täuschen lassen: Risiken gibt’s leider zur Genüge, sagt Ordnungsdezernent Christian Kromberg mit bangem Blick in die Wipfel der Bäume, wo das Blattwerk oftmals verheimlicht, welcher Ast als nächster herunterkrachen könnte.
„Es ist nicht so, dass wir alle Bäume im Griff hätten“, appelliert Bernd Schmidt-Knoop von Grün und Gruga deshalb an die erhöhte Vorsicht der Bürger und deren Einsicht, die „Allgemeinverfügung zum Betretungsverbot bestimmter öffentlicher Flächen im Stadtgebiet Essen“ zu beachten. Kurz gesagt: Grünanlagen, Spiel- und Bolzplätze, Friedhöfe – ausgenommen ist der Beerdigungsbetrieb –, alle Uferwege mit Baumbestand am Baldeneysee und der Ruhr einschließlich des Radwegs sind nach wie vor tabu. Auch wenn es unten nicht mehr so aussehen mag: „Die Gefahr droht nach wie vor von oben“, warnt Schmidt-Knoop. Es kann selbst erfahrene Männer der Wehr treffen: Ein herabstürzender Ast verletzte vor drei Tagen einen Feuerwehrmann trotz Helm und Schutzkleidung.
Mit der Unterstützung von bislang 1500 Helfern aus anderen Städten schaffte Essen in den vergangenen Tagen einen gewaltigen Kraftakt, der damit begann, noch in der Nacht die Nordsüd- und Ostwest-Achsen in der Stadt so weit von gefallenen Bäumen und Ästen zu befreien, dass der Rettungsdienst aufrecht erhalten werden konnte. Um drei Uhr morgens am Dienstag der vergangenen Woche wollte wohl noch niemand glauben, dass heute inzwischen 95 Prozent aller Evag-Linien wieder fahren, von 46 nur noch eine städtische Kita und zwei von 170 Schulen in Rüttenscheid und Schönebeck nach wie vor gesperrt sind, wie Ingo Penkwitt von der städtischen Immobilienwirtschaft berichtet.
Eissporthalle ebenfalls wieder auf
Ab heute öffnen auch das Grugabad sowie die Eissporthalle ihre Pforten wieder, und inzwischen sind 25 von 80 Sportanlagen ebenfalls freigegeben, weiß Michael Kurtz, Chef der Sport- und Bäderbetriebe: „Wir fangen jetzt erst an“, weil die Funktionsfähigkeit der Straßen, des Nahverkehrs, der Schulen und Kitas aus Sicht des Krisenstabs zunächst eine höhere Priorität genoss. „Wochen bis Monate im Einzelfall“, könne es dauern, so Kurtz, bis alle Sportstätten wieder im gewohnten Umfang zu nutzen seien. Wobei Kromberg ausdrücklich betont, dass – wenn immer es Not tut – Kräfte auch flexibel eingesetzt werden können – etwa wenn bei einem Verein ein großes Fußballturnier vor der Tür steht. Unwetter
Der arg gerupfte Grugapark könnte zumindest in Teilen noch in dieser Woche geöffnet werden, die Friedhöfe sollen nach und nach folgen. Nur in den gelichteten Wäldern – da ist die Stadt noch lange nicht am krausen Bäumchen.