Wenn Benjamin Busch träumt, dann in Blau-Weiß. An der Pinnwand des 11-jährigen Schalke-Fans hängen Eintrittskarten von Champions League-Spiele wie Trophäen. „Da war ich bei Schalke gegen Arsenal“, sagt er, „da bei Schalke gegen Real Madrid, als wir so hoch verloren haben.“ Und dann analysiert der Gymnasiast das Spiel so wortgewandt wie ein Profi. Über Fußball kann man sich mit Benjamin, der von allen Ben genannt wird, ausgezeichnet unterhalten. International sind Giovani dos Santos und Nani seine Stars, im deutschen Team findet er Boateng und Podolski gut, doch den Titel, so Ben, holen andere: „Wir kommen höchstens bis zum Viertelfinale, Weltmeister wird Brasilien – oder Holland.“

Klar misst er sich mit Freunden beim virtuellen Fußballspiel an der X-Box, aber er steht auch selbst auf dem Platz. Der ESC Rellinghausen ist seit seinem fünften Lebensjahr sein Verein. Erst als Torwart, jetzt im Feld findet er hier Ausgleich zum Stillsitzen in der Schule. Die schafft er bisher locker, bringt nur gute Noten, ohne viel zu lernen. Seinen früheren Berufswunsch, Torwart wie Manuel Neuer zu werden, hat er aufgegeben. „Ach, als ich das wollte, war ich noch klein“, sagt er: „Sportmoderator fände ich jetzt cool.“

Die schwermütige portugiesische Sehnsucht „Saudade“, die sich im Fado-Gesang wiederfindet, liegt auch Anabel Korte im Blut. Je länger die 48-Jährige in Deutschland lebt – schon 28 Jahre – umso wehmütiger denkt sie an ihre alte Heimat Portugal. „Wenn ich es mir leisten könnte, würde ich ein halbes Jahr in Essen und ein halbes Jahr in Lissabon wohnen.“ Ein Traum, den sie vielleicht nach der Pensionierung verwirklichen kann. Bis dahin arbeitet sie bei Adveniat und begleitet ihre Tochter ins Erwachsenenleben.

So oft es möglich ist, fliegt sie in die weiße Stadt am Tejo, schlendert durch die Straßen, genießt Stockfisch und typische Süßspeisen. Lissabon, so erzählt sie, habe sich in den vergangenen Jahren sehr verändert. Die Eurokrise hat das Land am Atlantik voll getroffen, viele Häuser stünden zum Verkauf, wer eine gute Ausbildung hat, suche einen Job im Ausland. „Das ist ein echter Exodus der Intelligenz.“

Umso wichtiger sei ein gutes Abschneiden der portugiesischen Mannschaft, der die Hobby-Fußballerin den Titel zutraut. „Das würde uns viel Selbstbewusstsein geben.“ Dass just Portugal in der Gruppe von Deutschland spielt, erhöhe die Spannung. „Ich freue mich auf Montagabend.“ Dann wird der Beamer installiert, die Leinwand aufgebaut und mit deutschen und portugiesischen Freunden zugeschaut.

Vera Uzugwa ist Pastorin einer freikirchlichen Gemeinde in Altendorf und stolz auf ihr Heimatland Ghana. Seit 1986 lebt die 41-Jährige in Essen, ist mit einem Nigerianer verheiratet. Vier Kinder zwischen vier und 21 Jahren hat das Paar, „da habe ich eigentlich Arbeit genug“. Wenn die Zeit es zulässt, unterstützt sie ihren Mann bei der Gemeindearbeit – auch er ist Pastor. „Wir sind eine internationale Kirche“, sagt sie.

Fußball ist nicht ihr Thema, „da müssen Sie sich mit meinem Mann oder meinem Sohn unterhalten“. Trotzdem will sie sie Weltmeisterschaft verfolgen, „das ist ja etwas anderes als Bundesliga“.

Ve Mellinghaus hat eine einfache Erklärung dafür, warum Fußball in ihrer Heimat noch nicht so populär ist wie in Europa oder Südamerika: „Für die Amerikaner ist es zu anstrengend, zwei Mal 45 Minuten lang konzentriert einem Spiel zuzuschauen“, so die Texanerin. Baseball sei viel entspannter, ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem man sich mit Freunden zum Quatschen trifft. Sie selbst sei allerdings nach zwölf Jahren in Deutschland längst mit dem Fußball-Virus infiziert, „dem kann man gar nicht entrinnen“. Schon weil ihr Mann eingefleischter BVB-Fan ist.

Mit ihm und den beiden Kindern lebt sie in Kettwig, genießt das satte Grün der Natur – und den Regen. Wer mal in Texas war, kann das verstehen: Im Sommer sind Temperaturen um die 45 Grad keine Seltenheit. „Das vermisse ich wirklich nicht.“ Überhaupt fühlt sich die US-Amerikanerin im heimeligen Kettwig „sauwohl“. „Ich kann mir keinen schöneren Ort vorstellen, um Kinder groß zu ziehen“. Daneben verwaltet die 44-Jährige Immobilien ihrer Familie, in ihrer Freizeit reitet sie. „Ich bin in Deutschland angekommen!“ Aber jubeln wird sie während der WM für die USA.