Frohnhausen hilft - sich selbst. Als der Orkan in der Hamburger Straße zwei Stunden lang den Strom ausfallen lässt, treffen sich die Nachbarn spontan in Dieter Lettaus Kellerbar. „Danach haben wir zusammen auf der Straße angepackt“, sagt der 72-Jährige, der seit 50 Jahren in Frohnhausen lebt.

Wer durch die verwüsteten Straßen an entwurzelten Bäumen, Ästen, Flatterband und demolierten Autos vorbeigeht und für einen kurzen Moment die Augen schließt, der hört: irgendwo eine knatternde Motorsäge und in der Ferne ein Martinshorn.

Frohnhausen hilft sich auch in der Grevelstraße. Aufs Dach der Kindertagesstätte haben sich Pfingstmontag zwei entwurzelte Bäume gelegt. Ein Horror-Anblick für die aufgewühlten Erzieherinnen, Eltern und Kinder. „Und das ausgerechnet kurz vorm Sommerfest“, berichtet Kita-Leiterin Nicole Becker. Doch dann passiert das Wunder. In der Stunde größter Verzweiflung klopft die „Gruppe Frohnhausen“ an. Ein spontaner, bunt zusammengewürfelter Freiwilligen-Trupp, der sich über Facebook („Essen packt an“) verabredet und mit stürmischem Elan loslegt. „Der Hammer“, sagt die verblüffte Leiterin. Und fügt ergriffen hinzu: „Da schießen einem Tränen der Rührung in die Augen.“

Starker Wille, jugendlicher Elan und eine Überdosis Idealismus versetzen Berge. Und ersetzen: die fehlende Motorsäge. Die Helfer gehen nämlich nur mit Fuchsschwanz und Bügelsäge zu Werke - und zerlegen - unfassbar - dennoch Ast um Ast. „Ich bin Elektriker, habe eigentlich Urlaub bis zum 20. Juni“, sagt Sascha Mooibroek (20). „Aber als Hilfe gebraucht wurde, habe ich nicht eine Sekunde gezögert.“ Marcel Hauptmann (26), der Feuerwehrmann, hilft immer nach Dienstschluss. „Letzte Nacht habe ich vier Stunden geschlafen.“

Bekommen sie Anerkennung für so viel Uneigennützigkeit? „Und wie“, erwidern die „Anpacker“. Im Kofferraum ihres Kleinwagens stapeln sich Wasserflaschen und Limonaden, Kuchen und Plätzchen. „Alles gespendet“, strahlen sie.

Nicht nur hilfsbereite Bürger stiften, auch Firmen packen großzügig ‘was aus. „Bei Stauder haben sie uns großzügig mit Fassbrause und Malzbier versorgt, bei Bauhaus gab’s eine Axt und zwanzig Paar Arbeitshandschuhe, der Pizzaboy lieferte ein Abendessen.“

Die Stärke der „Gruppe Frohnhausen“, sie schwankt im Laufe des Tages - denn die meisten sind berufstätig und deshalb Feierabend-Helfer. Zu Spitzenzeiten am späten Nachmittag gehen 15 bis 20 Mann zu Werke. Tagsüber sägt und räumt dann nur eine Handvoll. Als sie spüren, dass vor lauter Raummeter die Muskelkraft zu erschlaffen droht, schaffen sie mit eigenem Geld dann doch ein „Fichtenmoped“ an, eine Motorsäge. Einen Gratis-Kanister Benzin gab’s dazu.

Die „Frohnhauser“ schuften an der Kita am Dienstag, am Mittwoch und am Donnerstag. Da rollt unerwartete Hilfe von der Feuerwehr Aachen an. Die Feuerwehrmänner Sascha Klein und Dieter Loevenich haben schweres Gerät dabei - das Tüpfelchem auf dem „i“.

Gegen 14 Uhr holt Nicole van Brömmel ihre drei Jahre alte Tochter Lea Marie aus der Kita ab. Sie lobt das „Sponti-Freiwilligen-Kommando“ und sagt: „Großartig, dass sie so schnell geholfen haben.“ Auch Lea-Marie scheint schwer beeindruckt zu sein. Eigentlich will sie Ballerina werden, doch nun rangiert die Feuerwehr ganz oben.

Auf dem Kita-Spielplatz liegen jetzt zwei Bäume, sauber zerlegt, neben dem Klettergerüst. Die Gefahr ist gebannt und die „Frohnhauser eilen zum nächsten Einsatz in die Erzstraße, danach sägen sie auf der Albert-Schweitzer-Straße. Die Kita-Leiterin schaut ihnen erleichtert hinterher: „Unser Sommerfest am Samstag kann steigen.“