Essen. . Einst war Essen ein Synonym für Kohle und Stahl. Jetzt steht die Stadt im Finale um die „Grüne Hauptstadt Europas 2016“. Im Rathaus rechnen sie sich nicht nur Außenseiterchancen aus.

Dass der Himmel über der Ruhr längst wieder blau ist und über Essen keine Schlote mehr rauchen, soll sich ja inzwischen sogar bis nach Süddeutschland herumgesprochen haben.

Ja, Essen ist eine der grünsten Städte im schönen Nordrhein-Westfalen. Und doch hat die Bewerbung um den Titel „Grüne Hauptstadt Europas 2016“ auf den ersten Blick etwas Verwegenes. Nun steht Essen im Finale. Und das auch ein wenig zur eigenen Überraschung, gesteht Umweltdezernentin Simone Raskob. Selbstbewusst sagt die städtische Beigeordnete nun: „Wir fahren nach Kopenhagen, um zu gewinnen.“

In der dänischen Kapitale, Titelträger 2014, wird sich Essen am 23. Juni mit den vier weiteren Finalisten messen: mit der slowenischen Hauptstadt Ljubljana, mit dem niederländischen Nijmegen, mit Umea, der Kulturhauptstadt 2014 in Schweden und mit Norwegens Hauptstadt Oslo, die als Favoritin aus der Ausscheidungsrunde hervorgegangen ist. Nun, die Karten werden neu gemischt. Und Essen geht gut vorbereitet ins Rennen gehen, verspricht Raskob. Seit Wochen wird fleißig Englisch gelernt. Gestern ließ sich das Team von der TAS Emotional Marketing-Agentur auf den großen Tag einstimmen. Was die von Oberbürgermeister Reinhard Paß angeführte Delegation der Jury präsentieren wird, ist ein gut gehütetes Geheimnis.

Nur soviel: Als „Grüne Hauptstadt“ will Essen mit einem griffigen Slogan werben, so wie schon im Kulturhauptstadt 2010, das unter dem Motto „Kultur im Wandel, Wandel durch Kultur“ stand. Einmal mehr dürfte es die Metamorphose sein, die Essen als einstige Stadt von Kohle und Stahl seit Jahrzehnten durchlebt, und die sie jetzt erneut zu einem ernstzunehmenden Titelanwärter macht. Naturschutz beispielsweise beschränkt sich hier nicht wie andernorts auf ausgewiesene Schutzgebiete, die es in Essen auch gibt, eines sogar von europäischem Rang in der Heisinger Aue. Aber wussten Sie, dass auf dem riesigen Zollverein-Areal nicht nur die seltene Kreuzkröte heimisch ist, sondern 400 verschiedene Arten?

Mit Natur und Artenvielfalt in einem großstädtischen Lebensraum konnte Essen in der ersten Runde Punkte sammeln. Das gilt auch für den Umbau des Emschersystems, die Renaturierung von Fluss und Zuflüssen, an deren Verlauf Spazier- und Wanderwege entstehen. Vergleichbares in einer solchen Dimension gibt es in keiner anderen Stadt. Es gibt auch Ausschläge nach unten, die Verkehrsbelastung zum Beispiel. Die Stadt hat hier ehrgeizige Ziele, will auf Hauptstraßen lärmschluckenden Asphalt verlegen und dafür sorgen, dass mehr Menschen Busse, Bahnen und das Fahrrad nutzen.

Auch dies geht in die Bewertung ein. Schon als Finalist dürfte es Essen künftig leichter fallen, sich in Brüssel künftig um Fördergelder zu bewerben, ist Raskob überzeugt. Und wenn es am Ende am 23. Juni in Kopenhagen doch nicht reichen sollte? Erlaubt sei ein Blick nach Bristol, Europas „Grüne Hauptstadt 2015“. Geholt haben die Briten den Titel im dritten Anlauf.