Allein in Essen sterben jährlich rund 80 schwerkranke Menschen, weil es für sie keine Spenderorgane gibt. Unter ihnen im vergangenen Jahr auch zwei Kinder. Ärzte und Menschen, denen ein Spenderorgan ein zweites Leben schenkte, haben im Essener Hauptbahnhof über das Thema Organspende aufgeklärt.
Sie stehen im Hauptbahnhof und suchen das Gespräch – Ärzte, Menschen, die ein Spenderorgan erhalten haben, Vertreter der AOK. Zwischen Eiligen, die den Zug nicht verpassen wollen. Ein fast symbolischer Ort: Denn es geht um Schwerstkranke, die es auch eilig haben, weil ihr Leben nur durch eine Organspende gerettet werden kann. „Weil es zu wenig Spender gibt, müssen allein in Essen jährlich 80 Menschen sterben. Im vergangenen Jahr auch Kinder“, erklärt Dr. Stefan Becker, Transplantationsbeauftragter der Uniklinik, sein Engagement und das seiner Mitstreiter.
Der 38-jährige Arzt steht an diesem Morgen am Gleis, um aufzuklären. „Nicht um jemanden zu überreden, sich einen Spendeausweis zuzulegen.“ Initiiert wurde die Aktion im Bahnhof durch das Bündnis Organspende, zu dem sich in Essen unter anderem Krankenkassen, die Uniklinik, die Ärztekammer, der Unternehmerverband und Selbsthilfegruppen zusammengeschlossen haben. Ihr Ziel: Menschen über das „überlebenswichtige“ Thema Organspende informieren.
„Silvester hätte ich nicht überlebt“
An der Uniklinik warten derzeit über 70 Todkranke auf eine neue Leber, mehr als 500 Menschen auf eine neue Niere. „Die in Deutschland sowieso geringe Spendebereitschaft ist zwischen 2011 und 2013 noch einmal stark zurückgegangen, nämlich um 27 Prozent“, erklärt Mediziner Becker. Der weiß, dass diese Zahl auch eine Folge davon ist, dass Ärzte Laborwerte von Schwerkranken manipulierten, damit die Patienten schneller ein Spenderorgan erhalten sollten. Fälle für die Staatsanwaltschaften.
Moni Kuhlen hat vor 14 Jahren eine neue Leber bekommen. Ein kostbares Geschenk, das ihr ein zweites Leben ermöglicht hat. „Ich bin im Dezember 2000 transplantiert worden. Silvester hätte ich sonst nicht überlebt“, erzählt die 56-Jährige der 19-jährigen Justine auf dem Bahnsteig. Die junge Frau hört Kuhlen zu, sagt: „Mit dem Thema hab’ ich mich noch nie beschäftigt.“ Würde sie Organspenderin werden? „Eher nein“, meint die Auszubildende und gesteht ihre Unsicherheit „bei diesem Thema“. Moni Kuhlen kann das akzeptieren. „Wenn man jemanden überredet, einen Spendeausweis auszufüllen, wirft er ihn hinterher eh weg.“
Fragen beantwortet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
An der Uniklinik betreut die Essenerin ehrenamtlich Menschen, die auf eine neue Leber warten. Als Transplantierte weiß sie zu gut, wie sich das „Hoffen und Bangen, die Angst, die Wartezeit auf das Organ nicht zu überleben“, anfühlen. „Ende letzten Jahres sind viele von denen, um die ich mich gekümmert habe, verstorben.“ Gerd Emgenbroich schüttelt den Kopf. Der 63-Jährige erzählt, dass er „eine Lösung wie in Österreich“ gut fände. „Da ist automatisch jeder Organspender. Es sei denn, er erklärt, das nicht zu wollen.“ Der Rentner hat seit 20 Jahren einen Spendeausweis. „Ich muss ja nicht alles mit ins Grab nehmen. Vielleicht kann ich einmal dabei helfen, dass ein Mensch überlebt.“
Deutschlandweit warten rund 12 000 Menschen auf ein Spenderorgan. Über 1000 Schwerstkranke sterben jährlich, die auf der Warteliste für eine Transplantation stehen. 2013 ist die Zahl der Organspender bundesweit um über 16 Prozent von 1046 Spender auf 876 gesunken. Für die Organisation der Organspende ist bundesweit die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) verantwortlich. Sie informiert im Netz über wichtige Fragen zum Thema: www.dso.de Persönliche Fragen zur Organspende können am Infotelefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gestellt werden: Tel. 0800/90 40 400.