Essen. . Schon vor fast zwei Jahren wurde der Spielbetrieb im neuen Stadion an der Hafenstraße gestartet. Erst jetzt aber soll der Essener Stadtrat seinen Segen zu dem Pachtvertrag zwischen städtischer Betriebsgesellschaft und Rot-Weiss Essen geben. Manches in der Stellungnahme der Finanzverwaltung klingt, als sorgte man sich darum, vertraglich über den Tisch gezogen zu werden.
Das machen Sie mal mit Ihrer neuen Wohnung: an der Balkonbrüstung rütteln und alle zwei Wochen eine mehr oder weniger wilde Party feiern, die Dusche nutzen und auf dem Garten tummeln, tausende Gäste einladen und danach – genau genommen: beinahe zwei Jahre danach – erst den Mietvertrag unterzeichnen.
Genau darum geht’s demnächst im neu gewählten Rat der Stadt: Der soll voraussichtlich am 2. Juli den Pachtvertrag zwischen der Sportstätten Betriebsgesellschaft Stadt Essen mbH, einer Tochtergesellschaft der städtischen Grundstücksverwaltung GVE, und dem Traditionsverein Rot-Weiss Essen e.V. absegnen.
Warum man auf dieses Papier so lange hat warten müssen, kann einem keiner so recht erklären. Zumal es bei den Pachtkonditionen gegenüber den im Juni 2012 abgefassten Regelungen „keine Veränderungen gegeben“ hat, wie es in offiziellen Papieren heißt. Manches musste sich offenbar erst zurechtruckeln, gemachte Erfahrungen konnten so in das üppige Vertragswerk einfließen.
Kein Pachtzins in Liga vier
Bis Ende Juni 2023 läuft der nun vorliegende Vertrag – und verlängert sich um jeweils fünf weitere Saisons, sofern er nicht bis zum 15. Januar der jeweils letzten laufenden Saison gekündigt wird.
RWE-Wandbilder
Neu im Pachtvertrag ist immerhin das Recht des Verpächters zur außerordentlichen Kündigung, sollte die städtische Tochterfirma absehbar nicht in der Lage sein, die Kosten für den Betrieb, den Unterhalt, oder für Umbauten des Stadions aus der Pacht, aus Erträgen von dritter Seite und städtischen Zuschüssen tragen können. Dieses außerordentliche Kündigungsrecht ist aber wohl eher theoretische Natur und der Tatsache geschuldet, dass die städtischen Gelder im Zuge des europäischen Beihilferechts nur für jeweils ein Jahr zugesagt werden können.
Der Pachtzins fürs Stadion folgt dem sportlichen Erfolg: Unterhalb der 3. Liga – und genau dort, in der vierten, befindet sich RWE ja derzeit – fällt bei Nettoerlösen von bis zu 3,8 Millionen Euro kein Pachtzins an. Alles, was diese Summe übersteigt, wandert zu einem Viertel in Richtung Verpächter. Lohnender würde es dann in der dritten und zweiten Liga, wo zehn Prozent der Nettoerlöse abzuliefern sind.
Es ist wohl weniger übersteigertem sportlichen Ehrgeiz der städtischen Finanzexperten als vielmehr dem scharfen Blick auf potenzielle Erlösquellen geschuldet, wenn sich die Beteiligungsverwaltung der Stadt in diesen Tagen sogar stirnrunzelnd fragt, warum denn „der gesamte Pachtvertrag keine Regelungen für eine Zugehörigkeit zur 1. Liga enthält: Auch wenn dieser Zustand sportlich noch in weiter Ferne liegt, ist dieses vor dem Hintergrund der Vertragslaufzeit (...) zumindest nicht ausgeschlossen.“
Fakt ist aber wohl, dass das Stadion gar keine Zulassung für die erste Bundesliga hätte, man also zunächst baulich und dann vertraglich nachbessern müsste.
Manches in der Stellungnahme der Finanzverwaltung klingt auch, als sorgte man sich etwas darum, vertraglich über den Tisch gezogen zu werden. So bei der Frage, warum etwa Transfererlöse nicht mindestens bis zur Deckung der Betriebskosten grundsätzlich berücksichtigt werden. Und wer eigentlich bauliche Schäden bezahlt, wenn im gemeinsam angesparten Bauunterhaltungskonto nicht mehr genügend Geld vorhanden ist.
Politische „Rückendeckung“
Denkbar sei auch, dass es bei Rot-Weiss Essen zu Umsatzrückgängen kommt – mit welcher Folge eigentlich für den städtischen Etat? Müsste die Stadt Geld nachschießen? Wäre das überhaupt mit dem strikten Sparkurs und der strengen Kontrolle durch die Kommunalaufsicht vereinbar?
Es sind wohl Fragen wie diese, die Stadtkämmerer Lars Martin Klieve im Hinterkopf hat, wenn er sagt, dass es das gute Recht des Rates sei, die schlussendliche Pachtregelung noch einmal zur Abstimmung vorgelegt zu bekommen. Das kann man politische „Rückendeckung“ für die städtische Grundstückstochter GVE nennen oder aber auch eine Absicherung nach dem Motto: Sagt später bloß nicht, wir hätten Euch vor den finanziellen Risiken nicht gewarnt.