Einen derart kalt geplanten politischen Betrug wie jetzt durch die Linken-Ratsfrauen Janine Herff und Anabel Jujol hat es in Essen noch nicht gegeben. Erst lassen sie sich seelenruhig in den Rat wählen, am Tag danach verbreiten sie ein lange vorbereitetes Papier. Zynismus pur. Ein Kommentar von Frank Stenglein.

Zynismus pur: Da lassen sich zwei Kandidatinnen seelenruhig auf aussichtsreiche Plätze auf der Ratsliste der Linken setzen, werden tatsächlich vom Bürger in den Rat gewählt, und am Montag nach der Wahl verschicken die beiden ein lange vorbereitetes Papier, wonach sie sich nunmehr von den Linken lossagen. Begründet wird dieser Akt der Wählertäuschung und der Egomanie auch noch hochmoralisch: Es gehe darum die „politischen Ideale“ und die „persönliche Integrität“ zu wahren, verkündet Anabel Jujol.

Geht’s noch? Wer bei einer durch und durch verkrachten Partei wie den Essener Linken nicht mehr mitmachen will - was man ja verstehen kann -, der soll sich das vor der Wahl überlegen, nicht einen Tag später. Jujol und Janine Herff sind nicht gewählt worden, weil sie so großartige Persönlichkeiten sind, sondern weil der Wähler in gutem Glauben davon ausging, dass Partei und Mandatsträger im Rat zusammenbleiben. Vielleicht verband der eine oder andere mit ihnen sogar besondere Hoffnungen, wer weiß.

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Natürlich: Jede Partei hat schon erlebt, dass es im Lauf einer Ratsperiode Entfremdungen gibt, und es hat sich eingebürgert, dass der, der flüchtet, das Mandat dann meist einfach behält. Schlimm genug. Einen derart kalt geplanten politischen Betrug wie jetzt bei den Linken hat es in Essen aber noch nicht gegeben.

Die Empörung fällt bei den anderen Fraktionen unterschiedlich aus - je nach eigener Interessenlage. Sollten sich die beiden abtrünnigen Linken mit Spaßkandidat Matthias Stadtmann (DIE PARTEI) zusammentun, dann ergäbe das schon mal eine Fraktion mit Anrecht auf entsprechende Ausstattung, mit Geschäftsstelle und anderen öffentlich finanzierten Annehmlichkeiten. Kämen noch die beiden Piraten dazu - die Gespräche laufen -, wäre diese neue links-diffuse Regenbogen-Fraktion als Partner für SPD und Grüne eine Versuchung, weil es zur Mehrheit im Rat knapp reichen würde.

Ob ein solches Konstrukt für verlässliche Politik taugt, ist wieder eine andere Frage. Da wünscht man dann gutes Gelingen bei der Verabschiedung eines Haushalts oder ähnlich konfliktträchtiger, aber wichtiger Aufgaben.