Essen. . Es ist schon nicht einfach, einen Ratssitz zu bekommen. Und noch viel schwieriger auszurechnen, wer’s schafft. Eine Kurzeinführung für Hardcore-Politikfans.

Es ist keine Schande, den französischen Mathematiker André Sainte-Laguë nicht zu kennen. Und den deutschen Physiker und Bundestagsverwaltungsmitarbeiter Hans Schepers hat auch noch kein Kreuzworträtsel abgefragt.

Aber wer wissen will, warum dieser Blindfisch in den Bundestag kam und jener Strahlemann nicht und wie viele Stimmen es eigentlich braucht, um einen der begehrten Ratssitze zu ergattern, der kommt – und an dieser Stelle müsste nun der Trommelwirbel einsetzen – am „Divisorverfahren mit Standardrundung“ der Herren Sainte-Laguë/Schepers nicht vorbei.

Fangen wir also an: Der Rat der Stadt Essen besteht aus 83 Personen unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters. Reinhard Paß hat von der Möglichkeit, seine Amtszeit zu verkürzen, keinen Gebrauch gemacht, aber der Posten wird eh per Direktwahl vergeben. Es verbleiben also 82 Sitze, von denen die eine Hälfte in Wahlbezirken, die andere Hälfte aus Reservelisten gewählt wird.

In den 41 Kommunalwahlbezirken ist gewählt, wer die einfache Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt. Karo einfach. Uns geht es um die restlichen 41 Plätze.

Dort gilt es zunächst, die so genannte „bereinigte Stimmenanzahl“ zu ermitteln. Diese ergibt sich aus der Zahl der abgegebenen Stimmen am Wahltag abzüglich der ungültigen Voten. Zudem müssen noch jene Stimmen herausgerechnet werden, die Einzelbewerber bekommen haben oder aber Wählervereinigungen, die auf eine Reserveliste verzichten wollten.

Da es die letzteren beiden Fälle in der Essener Kandidatenliste nicht gibt, bleiben wir also bei den abgegebenen gültigen Stimmen. Diese werden geteilt durch die Zahl der insgesamt zu vergebenden Ratssitze, nämlich 82, und voilà: Auf diese Weise haben wir den so genannten „Zuteilungsdivisor“ ermittelt.

Machen wir das mal am Beispiel der Kommunalwahl 2009 fest: Damals gab es 212.897 Stimmen, von denen allerdings noch 81 Stimmen für drei Direktbewerber abzuziehen waren. Machte 212.816. Der Zuteilungsdivisor lautete damals also 212.816 geteilt durch 82, das waren 2.595,3170.

Sie bekommen schon Schnappatmung? Halten Sie durch, wir sind kurz vor dem Ziel, denn nun müssen nur noch die gültigen Stimmen für jede Partei durch den Zuteilungsdivisor geteilt werden. Bei der SPD waren das 79.170 Stimmen geteilt durch 2.595,3170 – macht 30,504. Bei der CDU mit ihren 67.999 Stimmen liegt das Ergebnis bei 26,200 und so fort. Die Details von damals lesen Sie in der Tabelle.

Entscheidend ist: die Sache mit der „Standardrundung“. Denn anders als bei anderen Zuteilungsverfahren werden bei Sainte-Laguë/Schepers die Zahlenbruchteile unter 0,5 abgerundet – und ab 0,5 aufgerundet.

So lässt sich in der Tabelle auch gut nachvollziehen, warum die DKP vor fünf Jahren aus dem Rat flog: Ihr fehlten zunächst lächerliche 37 Stimmen zum Ratsglück. Denn die Divisions-Formel lässt sich ja auch umdrehen. 0,5 sind als Ergebnis für einen Ratssitz nötig, also gilt: 0,5 mal den Zuteilungsdivisor von 2.595,3170 macht 1297,6585. Es wären also 1.298 Stimmen nötig gewesen, die Kommunisten kamen aber nur auf insgesamt 1.261.

Damit beantwortet sich auch die Frage, wie viele Stimmen man nun genau für einen Ratssitz braucht, von selbst: Es kommt drauf an. Je höher die Zahl der gültigen Stimmen, desto höher auch die Zahl der erforderlichen Voten, um auf das magische Ergebnis von 0,5 zu kommen. Eine höhere Wahlbeteiligung, so wie sie sich jetzt andeutet, macht eher den kleinen Parteien zu schaffen.

So glatt wie im Kommunalwahl-Jahr 2009 geht es natürlich nicht immer ab. Denn aufmerksame Leser dürften gemerkt haben: Wenn die DKP auch noch einen Ratssitz bekommen und keine andere Partei einen abgegeben hätte, wäre die Gesamtzahl bei 83 Sitzen gelandet – einer zuviel. Auf der anderen Seite gibt es auch Rechenbeispiele, da kommt man nur auf 81 zugeteilte Sitze – einer zuwenig.

Aber keine Bange, für diese Fälle haben Sainte-Laguë/Schepers vorgesorgt. Die Kalkulation arbeitet dann entweder mit einem um 0,5 herauf- oder um 0,5 herabgesetzten Zuteilungsdivisor, wobei es gilt, den richtigen Divisorkandidaten herauszufinden und... Hallo? Werte Leser? Sind Sie noch da...??