Stadt, Land, Flucht: In den Bildern von Francisca G´omez ist eigentlich nur noch die Verlassenheit zuhause. Gómez hat sie in den leergezogenen Straßen der einstigen Autostadt Detroit gefunden, in den nie bewohnten Betonburgen von Madrid oder im Spaßvakuum von EuroVegas. Die Häuser waren schon da, bevor die Spekulationsblasen platzten und Anlegerträume zerstoben, Arbeitslosigkeit und Finanzkrise ihre tiefen Furchen in den sozialen Alltag zogen. Gómez hat diese Mahnmale des Niedergangs fotografiert, unsentimental, frontal – und menschenleer; weil das, was sie zeigt, kein individuelles Schicksal ist, sondern ein gesamtgesellschaftliches Phänomen.

Und eigentlich hätte die gebürtige Berlinerin, die seit vergangenem Herbst im Kunsthaus Essen das 16. Stipendium „Junge Kunst in Essen“ absolviert, im Ruhrgebiet thematisch doch gleich anknüpfen können, ihr neues Thema ist schließlich der soziale Wohnungsbau. Hat sie aber nicht, weil sie den Millionen Negativen im Ruhr Museum nicht noch weitere hinzuzufügen möchte. Stattdessen hat sie das Gespräch gesucht mit Ruhrgebiets-Größen wie Brigitte Kraemer oder Manfred Vollmer. Die Interviews werden im Rahmen der Ausstellung „To be in a home now“ zu hören sein, die so etwas ist wie ein Bilanzblick ein virtuelles Abschiednehmen. Unprätentiös gehängt als rahmenlose Abzüge oder wirkungsvoll inszeniert als Fensterbilder, die wie Projektionen an die gegenüberliegende Wand geworfen werden. Sie arbeitet schließlich mit dem Licht, fotografiert immer noch analog, weil das vielleicht die ehrlichste Antwort auf die Fragen ist, die Gómez in ihren Arbeiten stellt, Fragen wie: Was kann Fotografie, insbesondere die dokumentarische heute noch? Die Ästhetisierung des Vergänglichen, der Zauber der Tristesse interessiert sie nicht, weil das „mehr verschleiert als darstellt“, findet die 32-Jährige. Dass dieser ungeschönte Blick auch Jahrzehnte nach einem Meister wie Chargesheimer immer noch ungern im Ruhrgebiet gesehen wird, hat sie überrascht.

Weit gereist ist auch der Essener Fotograf Andy Scholz, um einen neuen Blick auf Landschaft zu zeigen, fernab jeder romantischen Vorstellung. „Dust In The Air“ heißt sein Ausflug in die nordamerikanische Prärie von North Dakota, wo heute Ölfordertürme, Straßenbau und endlose Eisenbahnstrecken die Szenerie des einstigen Indianerlands beherrschen. Scholz’ großformatige Bilder zeigen, wie wenig vom Mythos dieser Landschaft übrig geblieben ist, vom anfänglichen Zauber selbstgezimmerten Siedlerglücks. Man kann in diesen Bildern Schauplätze globaler Veränderung sehen, Orte des Aufbruchs. Und doch scheint zwischen den symmetrisch aufgestellten Wohn-Trailern alles stillgestellt, es gibt keine Bewegung, nur das gleichförmige Silhouettenspiel der harten Schatten. Und wie eine Fata Morgana ganz hinten ein Wirbel aus Erde, Energie und Endlichkeit – der Staub der Veränderung.