Essen. . Mitarbeiter der Security-Firma „Issa“ haben einen Intensivtäter rund um die Uhr im Blick. Ein bundesweit einzigartiger Vorgang, der rund 1500 Euro pro Tag kostet. Der 14-Jährige gilt als aggressiv und äußerst gewaltbereit. Seit der Überwachung hat er kein krummes Ding mehr gedreht.

Er ist ein schmächtiges Bürschchen, aber umso aggressiver und äußerst gewaltbereit: Schon als 13-Jähriger führte O. eine brutale Bande Jugendlicher an, die marodierend durch ihren Stadtteil im Essener Osten zogen. Mit Messern, Eisenstangen und Stechbeiteln bewaffnet überfielen sie Gleichaltrige, ältere Jugendliche und Senioren, raubten sie aus, stahlen ihnen das Geld, die Handys oder die Motorroller.

Seinen Kumpels wurde im Januar weitgehend das Handwerk gelegt, doch ihr Rädelsführer machte unbeeindruckt weiter. 30 Straftaten in nur drei Monaten sollen inzwischen auf das Konto des einschlägig bekannten Intensivtäters aus dem Bergmannsfeld gehen, dessen Treiben die Behörden weitgehend rat- und machtlos gegenüberstanden (die NRZ berichtete).

Was soll man machen mit einem, den man nicht wegsperren kann, weil er zu jung ist? Der nicht zur Schule geht, weil er zu gefährlich ist für Lehrer und Schüler. Der von der Leitung eines geschlossenen Heims vor die Tür gesetzt wurde, weil er Bewohner und Betreuer massiv bedrohte und der sich allen Hilfsangeboten verschließt.

Die Stadt Essen meint jetzt eine Antwort gefunden zu haben: Sie lässt den Spätaussiedler von einem Sicherheitsdienst überwachen, um ihn vor sich und vor allem potenzielle weitere Opfer vor ihm zu schützen. Rund um die Uhr stellt die Security-Firma „Issa“ drei Mitarbeiter vor dem Elternhaus des Teenies ab, die den Jungen seit vier Wochen auf Schritt und Tritt verfolgen, sobald er auf die Straße tritt. Das ist ein bundesweit einzigartiger Vorgang, kostet den Steuerzahler etwa 1500 Euro pro Tag, scheint aber zu wirken: O. hat seitdem kein krummes Ding mehr gedreht.

Der Stadt sei dieser ungewöhnliche Schritt nicht leichtgefallen, sagte deren Sprecherin Nicole Mause gestern: „Wir haben uns die Entscheidung nicht einfach gemacht.“ Aber in der Abwägung der Kosten auf der einen und dem Schutz möglicher weiterer Opfer auf der anderen Seite, habe man sich für die sichere Variante entschieden. Die Eltern des Jungen, so Mause, haben diese Maßnahme sogar ausdrücklich unterstützt. Sie fühlten sich dadurch entlastet, heißt es.

Kein Wunder: Den Essener Behörden gilt O. seit Jahren als einer der härtesten Problemfälle. Vor knapp vier Jahren kam der Junge aus Russland in die Stadt und brachte „seine Geschichte mit“, sagt ein Jugendhilfeexperte. Seine Kindheit dürfte nicht die behütetste gewesen sein, heißt das wohl. An der Sonderschule, die er zunächst regelmäßig, aber dann nur noch sporadisch besuchte, hatte er schnell „massive Integrationsprobleme“, bis er der Polizei im November 2011 das erste Mal auffiel: Schon als Elfjähriger schreckte der junge Spätaussiedler nicht vor Körperverletzungen und Diebstählen zurück. Der letzte Schulbesuch datiert vom Sommer 2012 und bereits seit 2011 versucht ihn die Jugendhilfe mit allen Mitteln von der schiefen Bahn zu holen. Vergeblich.

Denn O. machte weiter, ging noch am 14. Januar dieses Jahres zwei 14 und 17 Jahre alte Jungs in der Nähe des Burgplatzes in der Innenstadt mit einem Springmesser an, um ihr Geld und ihre Mobiltelefone zu erbeuten. Nach seinem überschaubar kurzen Heimaufenthalt überfiel er am 6. Februar einen 16 Jahre alten Azubi auf der Hafenstraße. Als der Chef des Lehrlings das kriminelle Kind wenig später stellen wollte, trat O. auf den 41-Jährigen ein.

„Besondern außergewöhnlich war die Brutalität“, erinnert sich Manfred Kielbassa, Chef der polizeilichen Ermittlungsgruppe Jugend, die eine Reihe von Essener Intensivtätern betreut, an den Jungen. Der Kripomann hat die Straßen der Stadt seit Jahren im Blick und kennt seine Pappenheimer genau. Das Verhalten des Jungen aus der Freisenbrucher Hochhaussiedlung mag die Statistik der Polizei sprengen, ist aber symptomatisch für eine Entwicklung: Die Jugendkriminalität geht insgesamt zwar leicht zurück, jedoch werden die Täter immer jünger. Ermittelte die Essener Polizei in 2012 noch 4719 Kinder, Jugendliche und Heranwachsende, ist die Zahl der unter 21 Jahre alten Tatverdächtigen im vergangenen Jahr um nahezu fünf Prozent gesunken. Dabei haben sich die Erwartungen, mit denen die Landesbehörde vor sechs Jahren ihr Intensivtäter-Programm startete, mehr als erfüllt: 28 Prozent der betreuten Kinder und Jugendlichen begingen gar keine Straftaten mehr, 30 Prozent wurden ein bis drei Mal rückfällig, 26 Prozent fielen häufiger auf und der Rest wanderte in den Knast: Ein Schicksal, das O. nun auch drohen könnte. Seit einer Woche ist der Junge 14 Jahre alt und damit strafmündig.