Essen. . Im Mittelpunkt der Maikundgebung des DGB stand das gemeinsame Engagement für faire Arbeit in Europa.
Der angekündigte Sturm fiel aus, dafür gab’s reichlich Sonne: Rund 2000 Essener strömten in diesem Jahr zur DGB-Maikundgebung auf den Burgplatz und sorgten zusammen mit den brasilianischen Trommelwirbeln von „Samba Syndikat & Sambakowski“ für ein geradezu südländisches Flair zwischen Dom und Volkshochschule. Dabei wollte der DGB 24 Tage vor der Wahl eigentlich Europa in den Mittelpunkt stellen.
Am Giradethaus in Rüttenscheid war der traditionelle Umzug vormittags um 10 Uhr gestartet. Der anfangs bescheidene Demonstrationszug in Richtung Innenstadt wuchs sich auf 700 Teilnehmer aus, die angeführt von der Sambatruppe als rotes Fahnenmeer auf den Platz zogen. Dort entwickelte sich der Tag der Arbeit zum idyllischen Familienfest.
Mindestlohn, Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit sowie Altersarmut – mit den aktuellen Gewerkschaftsthemen eröffnete Essens DGB-Chef Dieter Hillebrand die Runde. Der Mindestlohn sei greifbar nah, müsse aber auch für Jugendliche und Langzeitarbeitslose gelten, rief Hillebrand über den Platz. Auch die Rente mit 63 sei eine gute Richtung, aber nur, so lange dies nicht mit einer Kürzung des Rentenniveaus einhergehe. „Damit würden Millionen Menschen in die Armut getrieben. Der Übergang vom Beruf in die Rente darf nicht zu sozialer Ausbeutung führen“, sagte der DGB-Chef, der lokale Essener Themen weitgehend ausklammerte.
Ob mit Kinderwagen, Fahrrad, Rollstuhl oder zu Fuß, die Maikundgebung auf dem Domplatz mobilisierte die Essener. Knapp 2.000 Demonstranten schwenkten Plakate und Fahnen vom Arbeitskreis der Senioren bis hin zu politischen Jugendorganisationen. Auf der Bühne, aber auch zwischen Bierständen und Wahlkampfplakaten diskutierten Gewerkschaftler und Sonntagsspaziergänger über Mindestlohn, Altersarmut und Jugendarbeitslosigkeit. Oberbürgermeister Reinhard Paß verschaffte sich nach einem kurzen Schwall an Buhrufen und Pfiffen auf der Bühne Gehör. „Wer arbeitet, muss sich und seine Familie davon ernähren können“, so der OB. In vielen Ländern Europas seien diese Probleme jedoch noch viel größer. Der DGB im Schulterschluss mit den EU-Ländern spiele eine zentrale Rolle dabei, in wirtschaftlicher Hinsicht weiter zusammenwachsen.
Von den Stufen des Burgplatzes riefen Sprechchöre „Tarifvertrag“ hinunter. Auf der Bühne meldete sich Nico Paraskevopoulos mit der Bedeutung des europäischen Betriebsrats zu Wort: „Seit 18 Jahren ermöglicht uns dieser gemeinsame Rat eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf europäischer Ebene“, erklärte der Vorsitzende des Europabetriebsrats der Hochtief AG. „Wir arbeiten gemeinschaftlich daran, die Probleme, mit denen wir alle zu kämpfen haben, zu lösen und unser Ziel von guter Arbeit und guten Löhnen zu verwirklichen.“
Der spanische Gewerkschafter Andrés Mateos Hernández brachte mit südländischem Temperament und Erfahrungen aus dem eigenen Land in besonderer Weise den europäischen Blick auf die Essener Bühne. Die Arbeitslosigkeit in Spanien liege bei 26 Prozent, bei Jugendlichen sogar bei 57. Über 500.000 Jobs seien in 2013 gestrichen und die Arbeitslosenunterstützung um 20 Prozent gekürzt worden. Die europäischen Staaten drifteten immer weiter auseinander. Die Europa-Wahl sei ein wichtiger Anlass, um sich dafür einzusetzen Sparpolitik, Arbeitslosigkeit, Armut und Sozialdumping ein Ende zu setzen.
Einen Fokus zurück nach Essen setzte Michael Wiese von Verdi NRW. „In Essen gibt es noch immer 2.500 beschäftigte, die in städtischen Unternehmen ohne Tarifvertrag arbeiten“, rief Wiese über den Platz. „Im Kampf für diese Themen müssen wir die Kommunalwahl nutzen“.
Trotz Interesse am Blick über den städtischen Tellerrand hinaus war die Mehrzahl der Essener aus konkreten lokalen Anliegen zur Kundgebung gekommen. „Bei uns im Klinikum Essen gibt es weit über 500 befristete Stellen“, erklärt Uschi Gerster als Sprecherin der Vertrauensleute des Klinikums. Die Tendenz sei steigend. „Ich selber habe seit 19 Jahren einen befristeten Arbeitsvertrag“, erklärt die Essenerin. An diesem Prozedere müsse sich dringend etwas ändern.
Den Fokus auf die Bildung legte anschließend noch die DGB-Jugend, deren Rap über Arbeitszeitverkürzung und Jugendarbeitslosigkeit noch über die schwindende Menge zwischen Crêpestand und Bierwagen hallte.