Essen. . Der Kommunalwahlkampf der SPD wirkt ruhig, ein wenig brav und appelliert an das Zusammengehörigkeitgefühl der Essener. Risiken sind der EBE-Skandal und der stets brüchige Burgfrieden mit Oberbüergermeister Reinhard Paß (SPD).
Manche sagen, im Wahlkampf muss eine Partei Gesprächsstoff liefern, koste es, was es wolle. Falls das stimmen sollte, hätte die SPD derzeit ein kleines Problem. Während Hauptkonkurrent CDU mit dem ebenso reißerischen wie leicht ekligen Schulklo-Plakat ins Risiko ging und auch sonst ziemlich offensiv Themen setzen will, wirkt die SPD-Kampagne ruhiger, heimeliger, allerdings auch braver.
„Eine bewusste Entscheidung“, sei das, sagt Parteichef Dieter Hilser. Schon im Wahlkampf 2009 habe man erfolgreich die Heimat-Karte gezogen. Die SPD reklamiert Essen als „unser Zuhause“, plädiert für ausreichend Kitas, gute Schulgebäude und preiswerten Wohnraum, beteuert „ein Herz für die Stadtteile“ zu haben und unterstreicht dies etwa mit einem Großplakat, das freundliche Menschen auf dem Rüttenscheider Wochenmarkt zeigt. Die Szene sei authentisch und eben wirklich in Essen entstanden, während das Schulklo der CDU ja leider nicht von hier stammt, wie einige Sozialdemokraten genüsslich anmerken. Die Fotoagentur, bei der sich die CDU für ihre Kampagne bediente, hatte die versiffte Toilette an einer Berliner Schule gefunden.
In der zu Ende gehenden Ratsperiode war die SPD mit 37,2 Prozent zwar deutlich stärkste Fraktion, konnte aus dieser Position allerdings wenig machen. Es überwog der Frust. Das CDU-geführte Viererbündnis, das erst ganz zuletzt echte Ermüdungserscheinungen zeigte, hielt die SPD fast immer außen vor. Und dass mit Reinhard Paß ein Sozialdemokrat der Stadt vorsteht, erwies sich für die SPD-Ratsfraktion eher als Fluch denn als Segen. Mehrfach flüchteten die SPD-Ratsmitglieder in recht peinliche Enthaltungen, weil sie Paß’ Kurs - etwa in der Haushaltspolitik - nicht mittragen wollten, aber eben schlecht offen gegen ihn agieren konnten.
Fraktionschef Rainer Marschan, auch er nicht gerade ein Freund des OB, lobt aktuell immerhin, Paß hänge sich im Wahlkampf „richtig rein“ und habe nach seiner Wahrnehmung in den letzten Wochen innerparteilich einigen Boden gut gemacht. Andere halten das Verhältnis auch weiterhin für unwiderruflich zerrüttet, wenngleich bis zum 25. Mai der Burgfrieden ausgerufen ist. Aber nicht mal der hält.
DemokratieSo kursiert derzeit in der SPD giftiger Spott, weil Paß jüngst EBB-Fraktionschef Udo Bayer in seinem Dienstwagen zu einem Termin nach Karnap mitnahm. Dort galt es einen neuen Sportplatz einzuweihen, und als der Karnaper Lokalmatador und frühere „Sozi“ Bayer dem OB-Auto entstieg, sollen einigen am Platz versammelten Genossen die Gesichtszüge entglitten sein. Tenor derer, die die Episode eifrig weiterverbreiten: Man hilft keinem EBB-Mann im Wahlkampf, erst recht keinem, der - wie Bayer - der Karnaper SPD wichtige Stimmen kostet. So wird dem OB selbst eine sympathische Gefälligkeit zum Nachteil ausgelegt.
Marschan zufolge sind vor allem die Jusos und die älteren Parteifreunde in der „AG 60 plus“ große Stützen im Wahlkampf, in dem jede Woche ein anderes Schwerpunkt-Thema diskutiert werden soll, was auf der Straße allerdings nur schwer zu steuern ist. Der Fraktionschef räumt denn auch ein, dass ein Thema so gar nicht gelegen kommt, an den Wahlständen jedoch eine Rolle spielt: der EBE-Skandal, der jüngst mit den Fahrdiensten für die von der SPD gestellten Bürgermeister eine weitere Facette erhielt.
Für Rot-Rot-Grün wird es schwierig
Die absolute Ratsmehrheit, bis 1999 eine Selbstverständlichkeit, ist für die Essener SPD auch diesmal keine realistische Option. Umso mehr stellt sich die Frage, mit wem man glaubt, nach der Wahl zusammengehen zu können, um nicht wieder dasselbe zu erleben wie 2009. „Wir sind mit allen demokratischen Parteien gesprächsfähig“, sagt Rainer Marschan. Bei den Grünen sieht der SPD-Fraktionschef mit Freude gewisse Lockerungsübungen, was deren bislang starke Vorliebe für die Essener CDU angeht. So ließ aufhorchen, dass Grünen-Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger die Erhöhung kommunaler Steuern nicht mehr ausschloss, ein Thema, mit dem die Grünen - ob gewollt oder nicht - eher Signale in Richtung Sozialdemokratie setzen. Für die SPD wäre eine Annäherung sehr wichtig. Denn gut möglich ist, dass die Grünen nach dem 25. Mai erneut in der strategischen Schlüsselposition sind und wählen können, ob sie dem „bürgerlichen Block“ mit CDU, FDP und EBB oder eben der SPD zur Mehrheit verhelfen.
Unschön für die SPD ist das innerparteiliche Zerlegen der Linken. Ein Parteitag stärkte vor einigen Wochen die eher dogmatisch-Traditionellen Kräfte, die auch die neue Linken-Ratsfraktion bestimmen dürften. Eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit ist dadurch nicht einfacher geworden, für Marschan stellt sich die Frage der Verlässlichkeit. Ausschließen will er Rot-Rot-Grün aber genauso wenig wie Parteichef Dieter Hilser, dem nachgesagt wird, diese Variante einem Bündnis mit der CDU vorzuziehen