Essen.. In der ehemaligen Boecker-Verwaltung in Essen-Vogelheim will ein angeblich der umstrittenen Gülen-Bewegung nahe stehender Verein ein Gymnasium für 300 Schüler eröffnen. Die Stadt prüft das Vorhaben. Schulexperten befürchten negative Folgen für die Integration, sollte die Einrichtung entstehen.
Die Pläne dürften für einige Unruhe in der Essener Schullandschaft sorgen: Der türkisch geprägte Rhein-Ruhr-Bildungsverein aus Duisburg beabsichtigt, eine private Ersatzschule in dem Gebäude der früheren Boecker-Verwaltung an der Hülsenbruchstraße in Vogelheim zu eröffnen. Nach NRZ-Informationen sollen rund 300 Schülerinnen und Schüler an dem „Eventus“-Gymnasium unterrichtet werden. „Wir hoffen, dass wir zum Schuljahr 2014/2015 den Schulbetrieb in Essen aufnehmen können“, heißt es auf der Internet-Seite des Trägers, dem eine Nähe zur umstrittenen Gülen-Bewegung nachgesagt wird.
Dem Bauordnungsamt liegt bereits eine Anfrage des Eigentümers der Immobilie vor. Eine Entscheidung der Stadt steht aber noch aus.
Negative Folgen für die Integration
Auch wenn eine Genehmigung des Schulbetriebs, der sich zwischen Wohnbebauung, Autohandel und Schrottbetrieb nur schwer einfügen dürfte, planungsrechtlich alles andere als sicher einzuschätzen ist, befürchten Schulexperten bereits negative Folgen für die Integration, sollte die Einrichtung entstehen. Die Schule könnte die Kinder der konservativen türkischen Bildungsschicht von anderen Gymnasien abziehen und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden, heißt es, selbst wenn Nachwuchs aller Nationalitäten an die Schule wechseln kann.
Zudem steht der Träger, der Rhein-Ruhr-Bildungsverein, in dem Ruf, der umstrittenen Gülen-Bewegung nahe zu stehen, über die die Landesregierung verfassungsrechtliche Klarheit bekommen möchte, wie Innenminister Ralf Jäger jüngst gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) ankündigte.
„Grundrecht zur Errichtung privater Schulen“
Von dem Projektleiter für das „Eventus“-Gymnasium war gestern keine Stellungnahme zu den Plänen für Essen zu bekommen. Ein ähnliches Vorhaben des Vereins, eine türkische Privat-Schule in Duisburg zu etablieren, war vor drei Jahren gescheitert. Gegenüber der NRZ hatte Orhan Yildirim damals formuliert: „Wir kennen und schätzen die Lehren von Fethullah Gülen, wird sind allerdings nicht Teil einer Bewegung, sondern eigenständig.“ Gülens Thesen, die Kritiker als islamisch-fundamentalistisch einstufen, seien nicht Bestandteil des Unterrichts. „Wir richten uns nach den geltenden Lehrplänen“, versicherte Yildirim – was eine Selbstverständlichkeit ist, um von der Bezirksregierung grünes Licht für eine staatlich anerkannte Privatschule zu bekommen. Wie die Pläne des Rhein-Ruhr-Bildungsvereins beurteilt werden, konnte die Aufsichtsbehörde gestern nicht beantworten.
Grundsätzlich gilt für die Genehmigung einer Ersatzschule, dass sich jedermann auf das „Grundrecht zur Errichtung privater Schulen“ berufen kann, machte Schulministerin Sylvia Löhrmann auf eine Landtags-Anfrage des Essener FDP-Abgeordneten Ralf Witzel bereits vor Jahren deutlich. Eine private Schule dürfe qualitativ nicht hinter öffentlichen Einrichtungen zurückstehen. Schulen, die sich an Nachwuchs bestimmter Herkunft richten, können unter integrationspolitischen Gesichtspunkten zwar kritisch bewertet werden, so die Ministerin. Dies könne einer Genehmigung aber nicht im Wege stehen, wenn alle rechtlichen Anforderungen erfüllt seien.