Henriette Dushes Stück „Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr weiten Strecke“ setzt sich bei den Autorentagen „Stück auf!“ in der Casa des Schauspiel Essen durch. Geschichte passt zum Thema „Grengänger“.

Die ganze Welt ist bekanntlich eine Bühne – und bei dem Autorenwettbewerb „Stück auf!“ braucht sie ganze acht Stunden, um sich in ihrer Vielfalt vor den Augen des Publikums zu entfalten. Am Ende war es dann aber der Blick in die Heimat, der am meisten überzeugte: Die Geschichte einer Familie, die aus der DDR nach Westdeutschland siedelte, steht im Zentrum des Gewinnerstücks – Henriette Dushes „Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr weiten Strecke“ setzte sich bei dem szenischen Lesungsmarathon bei der Fachjury gegen die sechs Konkurrenten durch.

Autorin Henriette Dushe.
Autorin Henriette Dushe. © dpa

Dushe erzählt ihre Geschichte in Rückschauen: Zusammen mit ihren vier Töchtern erinnert sich die Mutter daran, wie der von Freiheit schwärmende Vater den Aufbruch forciert, wie regimetreue Lehrer die vermeintlichen Landesverräterinnen terrorisieren, sie erinnern sich an die traumatische Zugfahrt und die ernüchternde Ankunft ins niedersächsische Provinzstädtchen.

Der Plot passt perfekt zum Motto des Wettbewerbs, der in seiner dritten Ausgabe mit „Grenzgänger“ tituliert war. Doch nicht nur die Geschichte an sich, die nicht nur eine Reise durchs geteilte Deutschland, sondern auch ins Innenleben einer Familie ist, überzeugte die Kulturjournalisten Ulrike Gondorf und Stefan Keim, den Autorenkollegen Wolfram Lotz, den Regisseur Gustav Rueb und die Essener ChefdramaturginVera Ring: „Besonders fasziniert hat uns die musikalische Struktur der Sprache dieses Bühnentextes für fünf Frauen“ – eine wahre Wortpartitur“, lobt Ulrike Gondorf. Regisseur Thomas Ladwig fand für die auf knapp eine halbe Stunde komprimierte Einsicht in das Stück passende Bilder, ließ das Bühnenbild von einer Mauer aus Umzugskartons dominieren. Nur eine von sieben Mini- Inszenierungen, die den Marathon äußerst kurzweilig werden ließen.

Das Motiv der Flucht spielte auch bei anderen Autoren eine Rolle: Jan-Christoph Hauschilds „O Tennenbaum“ erzählt von der Flucht eines jüdischen Österreicher im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs nach Israel. Doch ist dies nur der Anfang, er spannt seine biografische Erzählung über mehrere Dekaden aus. Namenlos blieben die Länder der „Grenzgänger“ von Christian Maly-Motta, die statt Freiheit ein Martyrium vorfanden. In Uta Bierbaums „Die schweizer Krankheit“ flieht eine der drei Protagonistin nur, um Heimweh empfinden zu können. Und ihn „Drei Finger für das Glück“ von Achim Stegmüller entflieht das Glück einem jungen Architektenpaar.

Glücklich darf sich Henritette Dushe schätzen – nicht nur wegen 5000 Euro Preisgeld. Das Stück der bereits mehrfach ausgezeichneten Dramatikerin wird im nächsten Jahr in Essen uraufgeführt.