Andere Städte, vor allem in Süddeutschland, seien da deutlich weiter, würden für Busse und Bahnen mehr Raum und eigene Trassen schaffen: „Die sagen sich dort, wenn ihr das Geld nicht braucht, dann verbauen wir es eben.“ Dagegen würden in Essen Mittelstreifen eher begrünt, als sie für den Nahverkehr freizuräumen: „Was wir hier erleben, ist leider typisch im Ruhrgebiet: Der Bus steht mit im Stau. Dem Pkw wird Vorrang gewährt und wir hinken hinterher.“

Dabei sei ganz klar, dass in Essen das U-Bahn-Netz nicht weiter entwickelt werde, allein schon aus Kostengründen, sondern nur der Weg an der Oberfläche bleibt. „Das müssen wir weiter entwickeln, da gibt es auch Möglichkeiten“, sagte Evag-Chef Michael Feller. Das erste Teilstück auf dem Berthold-Beitz-Boulevard – der erste Neubau einer Linie seit Jahrzehnten – könne nur ein Anfang sein, am Hauptbahnhof könne eine noch stärkere Verknüpfung entstehen, „wir müssen da viel stärker strategischer denken und das muss viel deutlicher in die Stadtplanung einfließen“, so Feller.

Für den Evag-Vorstandsvorsitzenden ist das auch eine Frage der Lebensqualität in einer Stadt, „und die Frage ist, wo wollen wir in den nächsten zehn, 20 Jahren hin. Ich bin mir sicher, dass wir dabei am Nahverkehr, an Bus und Bahn nicht vorbeikommen.“ Dass Essen bei der Bewerbung zur Grünen Hauptstadt Europas 2016 ausgerechnet beim Thema Verkehr am schlechtesten gepunktet habe, sei bezeichnend: „Andere Städte, andere Regionen sind deutlich weiter.“

Andererseits sei für alle Beteiligten klar, dass die Städte mit dem Investitionsstau allein völlig überfordert seien: „Das können wir nicht alleine lösen.“ Das mit alter Relais-Technik arbeitende Stellwerk habe man noch einmal für vielleicht zehn Jahre aufgerüstet, allein der bislang bezifferte Investitionsstau dürfte bei rund 400 Millionen Euro liegen, für Technik, Schienen, Fahrzeuge, die Kosten für den barrierefreien Ausbau noch einmal bei 300 Millionen. Viel Geld, aber gut investiert, findet Feller, dies werde demnächst der Einsatz der 27 neuen Niederflurstraßenbahnen zeigen: „Das ist eine ganz andere Qualität.“